am 19. Oktober 2024
„Das Ei ist hart!“ Diesen Satz habe ich oft beim Essen vor mir liegen. Aufgedruckt ist er auf einem Frühstücksbrettchen, das ich vor einiger Zeit geschenkt bekommen habe. Ich bin ein Fan von Loriot und diese Geschichte mag ich besonders. Ein Ehepaar sitzt beim Frühstück. Er deutet mit seinem Zeigefinger auf das Ei vor sich und sagt: „Das Ei ist hart!“ Das Gespräch geht noch weiter, aber auf dem Frühstücksbrettchen ist nur der eine Satz abgedruckt.
Eigentlich ist es nur eine Feststellung über ein gekochtes Ei. Eigentlich nichts Wichtiges. Nichts, worüber man sich aufregen muss. Aber Loriot schafft es meisterlich, mit einem kurzen Satz eine ganze Reihe von Vorwürfen mitschwingen zu lassen. Es geht eben nicht nur um die Konsistenz des Eis, es geht um die Achtsamkeit gegenüber den Vorlieben des anderen, es geht um den Ärger, schon wieder nicht das bekommen zu haben, was der Partner, die Partnerin doch längst wissen müsste.
„Das Ei ist hart!“ Bei Loriot kann ich mich darüber amüsieren. Wenn mir das passiert, sieht das schon anders aus. „Die Ampel ist grün!“ haben wohl schon viele gesagt oder zu hören bekommen, wenn sie im Auto sitzen. Vom Wortlaut her auch nur eine Feststellung. Doch der Vorwurf und das nicht ausgesprochene Ausrufungszeichen klingen nicht nur dezent an, sondern sind nicht zu überhören: „Nun fahr schon los! Kannst du nicht hingucken? Das dauert ja wieder ewig!“
Es gibt viele solcher oft kurzen Sätze, die viel mehr aussagen, als es auf den ersten Blick scheint. Sätze, die die Ungeduld ausdrücken und den Ärger. Sätze, die kritisieren und schlechte Laune machen. Ich höre sie von anderen, aber ich sage sie auch selbst.
Zum Glück gibt es auch die anderen Sätze, die nicht runterziehen, sondern aufbauen und Mut machen. Für viele ist es ein Vers aus der Bibel, wie er zum Beispiel bei der Taufe zugesprochen wird oder bei der Konfirmation: „Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln.“, „Gott ist mein Licht und mein Heil.“ oder „Von allen Seiten umgibst du mich.“
Bei mir ist es die Zusage aus der Bibel „Fürchte dich nicht! Du gehörst zu mir!“ Dieser Satz aus der Bibel (Jesaja 43,1) erinnert mich immer wieder daran, dass ich nicht allein bin, sondern zu Gott gehöre. Ein kurzer, oder besser gesagt, zwei kurze Sätze, die mir Kraft geben, wenn mir Sorgen zu schaffen machen.
Aufgedruckt auf einem Frühstücksbrettchen habe ich den Satz noch nicht gesehen. Aber vielleicht bekomme ich es ja irgendwann geschenkt. Es tut gut, mit so einer Aussage in den Tag zu starten.
Reinhard Thies, Pastor in Barenburg und Varrel