Send me an angel – Schick mir einen Engel

28. September 2024

Wort zum Sonntag

Kathrin Wiggermann; Foto: privat

am 28. September 2024

Am Sonntag ist der Gedenktag des Erzengels Michael.

Es müssen nicht Männer mit Flügeln sein. Und auch nicht süße blonde Kinder mit Pausbäckchen.

Egal, wie sie aussehen – Engel tun was: sie schützen und führen, sie reden und begleiten, manchmal stellen sie sich aber auch in den Weg und kämpfen. Denn Engel sind in biblischer Tradition nicht dazu da, einen Menschen in Wohlbefinden zu wiegen, ihn in Watte zu packen und ihm Unannehmlichkeiten zu ersparen. Sie sind Boten Gottes. Das erzählen schon ihre vielfältigen Namen: Gabri-el; Ari-el; Uri-el; Micha-el.

El ist das hebräische Wort für Gott. Engel sind Gottesboten. Sie tauchen auf, wo Menschen in der Krise sind und dünnhäutig, offen für Irritationen und bereit, sich neu auszurichten. Dabei kann es passieren, dass sich unsere inneren Konflikte zuspitzen und innere Kämpfe ausgestanden werden müssen.

Hilfe in Not einerseits und Hindernis auf dem Weg andererseits – beides ist Engel-Job.

Eindrücklich erzählt davon die Geschichte von Bileam und seiner Eselin (4.Mose 22). Bileam war ein Wahrsager in der Gegend vom Euphrat. Der König von Moab ließ ihn holen, um das Gottesvolk zu verfluchen, das ihm Angst machte. Er hoffte, dass verfluchende Worte, laut ausgesprochen, das Gottesvolk zurückdrängen könnten. Zweimal musste der König Bileam drängen, dann brach der mit seiner Eselin auf, nicht sicher, ob er das Richtige tat. Ein Engel, mit gezogenem Schwert bewaffnet, stellte sich ihm in den Weg. Doch Bileam sah ihn nicht, seine Eselin schon. Sie wich aus, sie gehorchte ihrem Reiter nicht. Dreimal. Dreimal kassierte sie dafür Prügel von Bileam. Die Eselin schaute ihren Herrn mit anklagenden Augen an: „Warum schlägst du mich, die ich dir immer treu gedient habe?“ Noch ist Bileam wütend, aber in den Augen der Eselin erkennt er sein Unrecht. In dem Moment gehen seine eigenen Augen auf – und er sieht den Engel, der sich ihm in den Weg gestellt hat. „Dein Weg hätte ins Verderben geführt. Du kannst das Gottesvolk nicht verfluchen, denn Gott hat es gesegnet.“, sagt er.

Die Geschichte dreht unsere Logik um: der vernünftige Mensch sieht nicht, aber das Tier ist hellsichtig. Es verhält sich mitfühlend, der Mensch unmenschlich. Auch die Rolle des Engels irritiert. Statt uns Wege zu eröffnen, uns zu behüten und zu beschützen, wie wir es immer gerne erbitten, versperrt er hier den Weg mit einem Schwert.

Am Ende setzt Bileam seinen Weg zwar fort, aber innerlich neu ausgerichtet. Er wird das Gottesvolk nicht verfluchen, sondern segnen.

Pastorin Kathrin Wiggermann, Evangelische Gesamtkirchengemeinde Diepholz