am 4. September 2021
Dienstagmorgen, kurz nach 9 Uhr. Sprechstunde im Diakonischen Werk. „Glauben Sie eigentlich an Gott?“ fragt mich die frühe Besucherin. Eine eher selten gestellte Frage bei uns, zumal zu solch früher Stunde an einem normalen Alltag. Eigentlich fragt mich das, ehrlich gesagt, kaum jemand an meinem Arbeitsplatz. Vielleicht, weil es wie selbstverständlich vorausgesetzt wird, bei einem „von Kirchens“. Vielleicht aber auch, weil es keine Rolle zu spielen scheint, bei den „hard facts“, mit denen Ratsuchende zu mir kommen: Geldsorgen, Trennungsgeschichten, Abschiebungsängste und ähnliche drohende Unausweichlichkeiten. Die Frage bringt mich aus dem Konzept. Und das ist gut so.
Bei aller angestrebten Fachlichkeit kommt der Kern diakonischer Arbeit, also das, was von Jesus in Sachen Nächstenliebe in den Evangelien gesagt und gefordert wird, kaum noch so unmittelbar vor. Ausserdem kommt mir die Antwort, ob ich an Gott glaube auch nicht so einfach mit „Ja“ oder „Nein“ über die Lippen. Obwohl, oder vielleicht gerade weil ich viel dazu gelernt habe. Ich gerate bei der Antwort schnell in jede Menge Gedanken des Für und Wider. Ich neige dazu, in´s Metaphysische abzuschweifen und verliere so schnell Aufmerksamkeit und Interesse meines Gegenübers. Ich glaube nämlich eigentlich gar nicht an Gott. Für mich stimmt der Satz besser ohne das kleine Wörtchen „an“. Erbsenzählerei, meinen Sie? Moment!
Ich glaube Gott, das heißt für mich: ich vertraue den Zusagen Gottes, die ich in der Bibel finde. Dazu muss ich sie natürlich lesen. Gott will allen Schutz und Schild sein, vom Barmherzigsein über Geschwisterlichkeit bis zu Vergebung und Zuversicht finde ich ein ganzes Glaubensalphabet.
Das alles sind Erfahrungssachen. Geschichten, die sich in meiner Biografie quasi „live“ wiederfinden. Lebensgeschichte mit Gott. Und die kann ich besser erzählen als bekennen. Ein Bekenntnis hat immer etwas statisches. Die Frage, ob ich an Gott glaube, tut so, als wäre es möglich zu wissen, wo, was und wer mit Gott letztlich gemeint ist. Dieser Gott, der „größer ist als all unsere Vernunft“, wie wir im Gottesdienst sagen. Dieser unbegreifliche Gott, der von sich selbst sagt „Ich werde sein, der ich sein werde.“ (2.Mo.3,14). Woran soll man denn da jetzt glauben? Ich glaube daran, dass Gott da ist. So, wie die Zusage es buchstäblich in den Raum stellt: Unberechenbar, aber grundsätzlich ganz. Und nicht weniger. Meinen Alltag bestimmt die Frage: „Was hat denn das mit Gott zu tun?“ Das dient mir zur kritischen Rückbesinnung auf´s Wesentliche.
Übrigens: An diesem Sonntag beginnt die Woche der Diakonie. Diesmal mit dem Thema „Mitgestalten“. Kirche zeigt sich offen. Vielleicht habe Sie Lust zum mitgestalten. Indem Sie mal die Frage stellen. Was hat denn das mit Gott zu tun?!
Rüdiger Fäth
Diakon im Kirchenkreis Diepholz