am 25. Mai 2024
„Papa, was für einen Wunsch soll ich auf die Geburtstagskarte für Oma schreiben?“ Ertappt. Mir fällt es mindestens eben so schwer wie meiner Tochter, Wünsche für jemand anderes zu formulieren. „Was sagt denn Mama?“, versuche ich noch, davonzukommen. „Dass ich dich fragen soll!“. Keine Chance also.
Vor allem bei Menschen, die mir wichtig sind oder die ich gut kenne, tue ich mich mit dem Wünsche-Formulieren schwer. Sie sollen ja echt klingen, und kreativ und spontan und aus dem gemeinsamen Leben heraus kommen. Aber dann sind da diese vertrackten stereotypen Formeln, die sich in meinem Kopf eingenistet haben und sich nun penetrant in den Vordergrund drängen. Alles Gute, Gesundheit, und Gottes Segen, o.ä. Und ich weiß: es wird eine ganze Weile dauern, sie zu überwinden und etwas Neues zu finden.
Manchmal beneide ich dann Paulus. Der war ein begnadeter Wünsche- Erfinder. Manche davon sind zu geflügelten Worten geworden, wie z.B. der heutige Wochenspruch: Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen (2. Korinther 13,13) - mit ihm grüßen viele Prediger*innen ihre Gemeinde von der Kanzel, bevor sie mit ihrer eigentlichen Predigt beginnen. Natürlich klingt auch das zu formelhaft und zu sehr nach Gottesdienst und Kirche, als dass ich ihn einfach so auf die Geburtstagskarte für Oma schreiben würde. Aber Gnade, Liebe und Gemeinschaft - sind das nicht auch heute noch gute Wünsche für jeden von uns? Wir alle brauchen das Gefühl, neu anfangen zu können, wenn wir uns verrannt haben. Wir alle brauchen das Gefühl, geliebt zu werden. Wir alle brauchen das Gefühl, geborgen und eingebettet zu sein in einer tragfähigen Gemeinschaft. Und vor allem brauchen wir alle das Gefühl, dass Gott uns begleitet mit seiner Gnade, seiner Liebe und seiner Gemeinschaft. Und uns hilft, gnädig mit uns selber und mit anderen zu sein, liebevoll mit uns selbst und mit anderen umzugehen, und dass wir uns einbringen und wiederfinden in ein bergendes Miteinander.
Während ich mich noch frage, ob Gnade, Liebe und Gemeinschaft gute Wünsche für Oma wären, setzt sich meine Frau zu uns an den Küchentisch. „Ich hab neulich einen schönen Spruch auf einer Karte gelesen: Du bist ein Geschenk, dass Gott sich selber macht“. Die Augen meiner Tochter leuchten. „…und mir!“, ergänzt sie. „…und uns!“, ergänze ich. Und so schreibt sie's dann auf die Karte.
Horst Busch
Pastor in Mellinghausen und Siedenburg