am 3. April 2021
Ich freue mich schon darauf, morgen im Gottesdienst den Klang des machtvoll-erhabenen Chorals „Christ ist erstanden“ von der Orgel der Martin Luther Kirche in Lemförde zu hören; diesmal in echt! Mitsingen geht wieder nicht, aber es gibt die Gemeinschaft, die die frohe Botschaft von der Auferstehung Christi hört und die zusammen zum lebendigen Gott betet; wie gut!
Inmitten all der Anspannung und Sorge, die vielen von uns zu schaffen macht, Ostern feiern – ich wünsche Ihnen, dass Ihnen das gelingt. Die befreiende Botschaft, dass Gott die Macht des Todes überwunden hat, sie will unserer Freude auf die Sprünge helfen.
Dabei denke ich an eine meiner liebsten Ostergeschichten. Dr. Ulrich Bach, ein Kollege und väterlicher Freund, schenkte sie mir vor vielen Jahren. Während seines Theologiestudiums erkrankte Ulrich Bach an Kinderlähmung und war fortan auf die Benutzung eines Rollstuhles angewiesen. Er arbeitete als Seelsorger in einer diakonischen Einrichtung in Volmarstein. Von der gläubigen Gelassenheit, die uns in der folgenden Geschichte begegnet, will ich gerne was mitnehmen in das Osterfest in diesem Jahr:
„An Tobias werde ich noch sehr oft denken. Was mir an ihm auffiel, war seine Stimmungslage, ein Gemisch aus Besonnenheit und Heiterkeit. Tobias war von Geburt an schwer behindert, inzwischen ein Mann in mittleren Jahren. Wir sahen uns zwei-, dreimal die Woche. Wie oft haben wir ihn sagen hören: ‚ja und?‘ Als die Fußballmannschaft seiner Heimatstadt absteigen musste, Tobias hielt den Kopf etwas schräg, schmunzelte und sagte: ‚ja und?‘. Das konnte ich ja noch verstehen. Gewundert hat’s mich aber, als sein Rollstuhl plötzlich einen Platten hatte. Ich selbst beginne in solchem Falle leicht zu schimpfen. Tobias hielt den Kopf etwas schräg, schmunzelte und sagte: ‚ja und?‘
Nur als der Arzt ihm sagte, er habe nur noch Wochen zu leben, uns als Tobias wieder sagte: ‚ja und?‘, da verstand ihn auch seine Mutter kaum noch: ‚Übertreibst Du jetzt nicht, mein Junge?‘ Aber Tobias sagte nur: ‚Hör mal, Mutter, hat Ostern denn nur mit Eiern zu tun – oder auch mit mir?‘
Diesen Satz fand ich großartig, aber er machte mir Tobias ein bißchen fremd. Und das wurde erst anders, als seine Mutter mir erzählte - der Sohn war an einem Ostersonntag gestorben -, Tobias hätte fast nie von seiner Behinderung gesprochen. Nur einmal, da saßen sie beim Tee, und der Junge – ach, er war schon erwachsen -, der Junge stieß eine Tasse um. Da fing er an zu weinen. Der Mann in mittleren Jahren fing wegen einer Tasse an zu weinen. Und er zischte vor sich hin: ‚Ich bin ein alter Krüppel.‘
Wenn ich jetzt an Tobias denke, ist er mir nicht mehr fremd. Die Sache mit Ostern und die Sache mit der Tasse – das beides gehört eben zusammen. Tobias hatte Ziele, sehr hohe Ziele. Aber er war Mensch genug, zu wissen: Wir können unsere Ziele nicht immer fassen. An Tobias werde ich noch sehr oft denken.“
Pastor Eckhart Schätzel, Lemförde