am 6. November 2021
Keiner ist allein
Die Botschaft der kahler werdenden Bäume und kalten Windböen dieser Tage lau-tet: Vergänglichkeit. Dieses wahrzunehmen ist alles andere als selbstverständlich. Es braucht dazu Anstöße, damit es nicht weiter möglich ist, zu verdrängen, dass nichts bleibt, dass wir nichts festhalten können, auch nicht unser Leben. Wir haben erlebt, wie viele Menschen dem Corona-Virus zum Opfer fielen und noch fallen; wie durch die Flutkatastrophe Menschen urplötzlich, ohne vorbereitet zu sein, ihr Leben oder Haus und Habe verloren. Im November denken wir kirchlich wie gesellschaftlich be-sonders an die Menschen, die wir durch den Tod schmerzlich vermissen.
Ist mit dem Tod alles aus?
Zumindest mag das Erleben so vielfältigen Sterbens die Vergänglichkeit stärker in den Blick gerückt haben, so dass wir mit dem Psalmisten beten: „Herr, tu mir mein Ende kund und die Zahl meiner Tage! Lass mich erkennen, wie sehr ich vergänglich bin… Ein Hauch nur ist jeder Mensch“ (Ps 39,5).
Für den alttestamentlichen Menschen war mit dem Tod alles aus: „Wende dein stra-fendes Auge ab von mir, so dass ich heiter blicken kann, bevor ich dahinfahre und nicht mehr da bin“ (Ps 39,14). Umso schmerzlicher erlebte er das Leben in seiner Vergänglichkeit als Windhauch und Schatten.
Sich die Vergänglichkeit bewusst zu machen heißt ja, sich klarzumachen, dass ich auch nicht sein könnte. Die Welt vermisst mich nicht, wenn ich nicht da bin. Woher nehme ich mein Daseinsrecht?
Oder folgt das Leben bei Gott?
Solche Gedanken zuzulassen und radikal nach dem Sinn zu fragen, kann Angst ma-chen. Deshalb verwundert es nicht, dass wir versuchen, durch Betriebsamkeit und Ablenkungen dem Nachdenken über unsere Vergänglichkeit aus dem Weg zu gehen. Aber die Angst vor dem Tod, die Angst, überflüssig zu sein, kann nur besiegt werden durch ein Vertrauen, dass Gott dieses Leben will und ER ein Gott der Lebenden ist, nicht der Toten.
Erst dieses Vertrauen, dass der Tod nicht das Ende ist, sondern das Tor zum Leben bei Gott, lässt uns das katholische Fest Allerseelen oder den evangelischen Toten-sonntag wirklich verstehen. Denn sie sprechen davon, dass wir alle, Lebende und schon Verstorbene, verbunden sind als Schwestern und Brüder Christi. Es ist das Fest der Solidarität schlechthin. Keiner ist allein!
Ansgar Stolte, kath. Pastor von Barnstorf, Diepholz und Sulingen