am 5. Dezember 2020
Leise steigt Tobias aus seinem Bett. Die anderen schlafen noch. Tobias klettert vorsichtig die Treppenstufen herunter. Der Flur leuchtet von den Lichterketten, die Mama draußen vor dem Haus aufgehängt hat. Im Schein der kleinen Lichter sieht Tobias seinen gelben Gummistiefel und den noch kleineren Winterschuh seiner Schwester Clara. Gestern Abend haben beide Geschwister die Schuhe mit Papa zusammen blitzeblank geputzt. Dabei hat der Papa erzählt: „Vor vielen Jahren lebte ein junger Mann in der Stadt Myra. Seine Eltern waren früh verstorben und haben ihm so viel Geld vererbt, dass er gut davon leben konnte. Doch in der Hafenstadt Myra lebten viele arme Menschen. Viele Kinder hatten kein Zuhause und mussten Hunger leiden. Der junge Mann hatte Mitleid und beschloss, den Menschen mit seinem Geld zu helfen. Er tat das heimlich in der Nacht, denn er wollte keine Gegenleistung für seine Hilfe. Es heißt, er habe drei jungen Mädchen an drei Abenden eine goldene Kugel durch ihr Fenster geworfen. Diese Kugeln sind in den Schuhen der armen Mädchen gelandet.“
Jedes Jahr erzählt Papa die gleiche Geschichte. Tobias kennt sie schon auswendig. Er weiß, dass der junge Mann Nikolaus hieß und dass die Menschen Nikolaus so sehr liebten, dass sie ihn später zu ihrem Bischof machten. Deswegen trägt der Nikolaus im Gottesdienst in der Kirche auch diesen tollen, goldglitzernden Umhang, die Mitra und den Bischofsstab.
Tobias steigt die letzte Stufe herunter. Er ist plötzlich ganz aufgeregt. Dabei weiß er ganz genau, dass der Nikolaus ihn niemals vergessen würde. „Der Nikolaus liebt alle Kinder,“ hat die Mama erzählt, „und auch, wenn du mal einen Fehler gemacht hast: Der Nikolaus wird immer zu dir kommen, denn er weiß, was du für ein toller Junge bist. Er weiß, wie du deiner kleinen Schwester hilfst und freut sich darüber, wie schön du basteln kannst.“ Mit drei großen Schritten ist Tobias an der Tür. Ehrfürchtig hebt er seinen Stiefel auf. Im Schein der Lichterketten glitzert der Schoko-Nikolaus. Auch drei goldene Walnüsse sind wieder im Stiefel. Die bringt der Nikolaus jedes Jahr. Es sind ganz besondere Nüsse: Wenn man sie vorsichtig knackt, findet man darin kleine Überraschungen. Im letzten Jahr waren bunte Glitzersteine darin und ein kleiner Anhänger mit einer Kerze. „Schau, mit der Kerze will der Nikolaus dich bestimmt daran erinnern, dass du genauso wie er ein Licht für andere sein kannst,“ hat der Papa gesagt, „auch du kannst andere froh machen. Du kannst mit anderen teilen. Du kannst sie trösten, wenn sie traurig sind oder mit ihnen spielen, wenn sie alleine sind. Das ist ganz einfach.“
Der Gedanke ist bei Tobias hängen geblieben. Jeder Mensch kann wie Bischof Nikolaus sein und andere froh machen. Das ist ganz einfach.
Frauke Laging, Diakonin, St. Nicolaikirchengemeinde
und Evangelischer Kreisjugenddienst Diepholz