am 29. Januar 2022
Es ist morgens kurz vor sieben, wir sitzen am Frühstückstisch. Vor dem Fenster steht schwarz und dunkel die Nacht. Aber dann ist da auf einmal ein schwacher Lichtschein. Das Dach gegenüber hebt sich vom Himmel ab, aus schwarz wird dunkelblau, hellblau, rosa und rot: Und jetzt geht die Sonne auf, ihr Glanz verwandelt alles. Die Schatten fliehen und mit ihnen die Angst und die Beklommenheit der Nacht.
"Denn siehe, Finsternis bedeckt das Erdreich und Dunkel die Völker," sagt Jesaja und fährt fort: "aber über dir geht auf der Herr, und seine Herrlichkeit erscheint über dir." (Jesaja 60,2) Finsternis bedeckt das Erdreich - ja, damit meint Jesaja das Dunkel der Nacht, aber er meint mehr: Er redet von Trauer, Trostlosigeit, Angst und Not. Er spricht zu den Israeliten, die aus dem Exil in Babylon ins zerstörte und verelendete Jerusalem zurückgekehrt sind und Trost sehr nötig haben.
Und Jesaja meint noch mehr. Er meint auch uns. Er spricht von unserer Finsternis. Wer schaltet jetzt nicht in aller Frühe das Radio an, um zu hören, wie bedrohlich die Corona-Welle über unser Land und die anderen Länder hinwegrollt? "Denn siehe, Finsternis bedeckt das Erdreich und Dunkel die Völker, aber über dir geht auf der Herr und seine Herrlichkeit erscheint über dir." Das ist der Wochenspruch für die Woche, die vor uns liegt, und es ist ein richtiges Trostwort. "Aber über dir geht auf der Herr..." Wie die Sonne aufgeht am Morgen in ihrer Macht. Das und noch mehr meint Jesaja.
Im "Anderen Advent" habe ich gelesen, was die Mutter eines kleinen Jungen, der an Krebs erkrankt ist, schreibt: Er hat die Chemotherapie hinter sich, und - Gott sei Dank! - sie hat geholfen. Die Angst, die Todesangst war riesengroß. Wird sie bleiben? Hängt sie nun wie ein Damoklesschwert über allem? Nein, sagt die Mutter. Heute lebt unser Kind. Heute sind wir dankbar und froh. Was kommt, haben wir nicht in der Hand. Vieles, was früher wichtig war, ist uns nicht mehr wichtig. Was uns neu geschenkt wurde in dieser schweren Zeit, ist Gottvertrauen, Gott zu vertrauen.
Was kommt, haben wir nicht in der Hand.
Werden wir uns trotz der Impfungen anstecken? Wird das Hotel, dem die Übernachtungsgäste fehlen, wieder öffnen? Werden die Schulkinder diese schwierige Zeit gut bewältigen? Keiner kann es voraussagen. keiner hat es in der Hand.
"...aber über dir geht auf der Herr, und seine Herrlichkeit erscheint über dir." Mendelssohn hat dieses Jesajawort im "Paulus" wunderbar vertont. Es lädt ein zu Gottvertrauen, Gott zu vertrauen.
Pastorin Friederike Müller aus Diepholz