am 29. Juli 2023
„Rufen Sie uns an! Nennen Sie uns das Lösungswort und mit etwas Glück gewinnen Sie 10.000 Euro.“ So oder so ähnlich heißt es bei vielen Glücksspielen oder Preisausschreiben. Sei es bei „Wer wird Millionär“, im Radio oder bei der Sportschau, wenn es einen Caravan zu gewinnen gibt. Ich brauche nur etwas Glück, um das große Los zu ziehen.
Bei solchen Aussagen frage ich mich immer. Wie viel ist „etwas Glück?“ Etwas Glück hat doch wohl fast jeder. Müsste dann nicht jede und jeder zu den glücklichen Gewinnern zählen?
Von viel oder großem Glück reden wir dagegen oft in Situationen, wo etwas schief gelaufen ist. Zum Beispiel bei einem Autounfall. Das Auto ist schrott. Und trotzdem heißt es: Da hast du aber großes Glück gehabt! Weil dir selbst nichts passiert ist. Oder: Bei dem Unfall hast du dir nur ein Bein gebrochen, aber nicht das Genick.
Und wenn alles normal verläuft? Die Gesundheit ist so, wie sie ist, wir kommen zurecht. Das Einkommen oder die Rente reicht noch, auch wenn damit keine großen Sprünge zu machen sind. Und jetzt in diesen Sommer- und Ferientagen machen wir vielleicht einen kleinen Urlaub an der See oder sitzen abends länger auf dem Balkon oder auf der Terrasse. Also nichts Besonderes. Wenn alles normal verläuft, dann ist von Glück in der Regel gar nicht die Rede. Das Normale ist ja selbstverständlich.
Ich finde, mit dem Glück ist es eine seltsame Sache. Für einen Lottogewinn brauchen wir nur etwas Glück. Bei einem Unfall haben wir meistens trotz mancher schlimmen Folgen viel oder großes Glück. Und wenn alles normal ist, kommt das Glück gar nicht vor.
Bei manchen Gelegenheiten erlebe ich es als Pastor aber doch, dass das Normale als ein großes Glück angesehen wird. Meistens dann, wenn Menschen auf ihr Leben zurückblicken, zum Beispiel anlässlich einer silbernen oder goldenen Hochzeit oder bei einem runden Geburtstag. Dann schwingt in dem Wort Glück oft auch die Dankbarkeit mit. Dankbarkeit gegenüber anderen Menschen, aber auch Dankbarkeit gegenüber Gott für das, was einem im normalen Alltag geschenkt wurde. Für Familie und Freunde, für die Arbeit, für die Aufgaben, die man übernehmen darf, Dankbarkeit dafür, ein Zuhause zu haben, in dem man in Sicherheit leben kann, Dankbarkeit für unzählige Erlebnisse, die ganz normal waren, aber eben doch nicht selbstverständlich.
Um das Normale, das Selbstverständliche als Glück anzusehen und sich daran zu freuen, müssen Sie nicht bis zu einem besonderen Jubiläum warten. Legen Sie die Zeitung oder das Handy für ein paar Minuten zur Seite und denken Sie einen Moment nach. Ich bin mir sicher, Ihnen fällt sehr viel ein, wo Sie Glück erleben durften, selbst dann, wenn das „etwas Glück“ für den Lottogewinn nicht dabei war.
Reinhard Thies, Pastor in Barenburg und Varrel