am 6. Februar 2021
Ein Flyer im Briefkasten hat mich aufgerüttelt: Impfgegner warnen vor den gesundheitlichen Folgen der Corona-Impfung. Ärzte haben das unterschrieben. Soll ich den Ärmel hochkrempeln und mich impfen lassen oder nicht?
Wie entscheide ich mich als Christin? Würde Jesus sich impfen lassen? Schön wäre es, eine direkte Antwort zu bekommen! Allerdings haben sich vor 2000 Jahren viele unserer ethischen und medizinischen Fragen noch nicht gestellt. Und doch kann die Frage „Was würde Jesus dazu sagen?“ uns auch heute ein Kompass sein für die Richtung, in die wir als Christinnen und Christen gehen und wie wir handeln.
„Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst“, so wird Jesus zitiert. Diese Grundregel ist konstitutiv für unser christliches Zusammenleben.
Sich selbst zu lieben, sich selber zu achten, die eigenen Interessen zu vertreten – das ist meistens einfach. Bei der Frage nach der Impfung muss ich die Risiken einer schweren Erkrankung mit den Risiken einer Impfschädigung abwägen. Da es noch keine Langzeitstudien über die möglichen Folgen gibt, ist mancher vorsichtig. Schließlich kommen jüngere Menschen öfter mit einem glimpflichen Krankheitsverlauf davon. Vielleicht habe ich auch Glück und erkranke gar nicht!
Die Nächstenliebe ist schwieriger als die Eigenliebe: Die besonders Verletzlichen hat Jesus ins Zentrum der Aufmerksamkeit gerückt. Unsere Nächsten, die wir lieben sollen, sind die Menschen, deren Leben in Gefahr ist. So wie Jesus redet und handelt, wie er Menschen heilt und auf das Reich Gottes hinweist, in dem es keine Krankheit und selbst den Tod nicht mehr geben wird, gilt der Vorrang des Lebens vor dem Tod. Für jede und jeden.
Aus christlicher Sicht tragen wir sowohl Verantwortung für das eigene Leben als auch für das Leben der anderen! Niemand ist eine Insel. Unser Zusammenleben in der Gesellschaft klappt nur, wenn wir uns als Gemeinschaft verstehen und aufeinander Rücksicht nehmen. Das Leben der anderen ist genauso viel wert wie unser eigenes. Daher hat unser Recht auf Selbstbestimmung seine Grenze da, wo das Recht auf Leben des anderen anfängt. Unabhängig vom Alter. Also: Auf welche Weise werden wir die wenigsten Todesfälle haben? Hier bei uns, in unserem Land, weltweit?
Wenn wir uns impfen lassen, schützen wir uns und die anderen, die unsere Nächsten sind, wenn wir ihnen im Supermarkt begegnen. Diese Menschen sind noch nicht in Lebensgefahr, aber ich kann sie durch Ansteckung dahin bringen! Je mehr Menschen sich impfen lassen, desto weniger Tote müssen wir betrauern.
Ja, es könnte Nebenwirkungen geben. Aber sich zu drücken und nur die anderen die Ärmel hochkrempeln zu lassen, ist unfair. Sich impfen zu lassen ist mehr als eine persönliche Entscheidung: Ich schütze meinen Nächsten wie mich selbst.
Pastorin Gesa Junglas, Diepholz