Ein Recht auf Goldmedaillen?

08. Juni 2024

Wort zum Sonntag

Marten Lensch Superintendent Foto: Jantje Ehlers

am 29. Juni 2024

Ich gucke gerne Sport im Fernsehen. Im Winter Biathlon, im Sommer Leichtathletik – und natürlich jetzt auch Fußball. Ich freue mich sehr darüber, dass Deutschland heute das Achtelfinale gewinnt und in zwei Wochen Europameister wird.

Bei aller Euphorie weiß ich aber, dass es irgendwann auch mal wieder Niederlagen geben wird. Die Titelverteidigung 2028 wird wahrscheinlich nicht klappen. Mal gewinnt die eigene Mannschaft – mal die anderen. So ist Sport nun mal! Dann ist es kurz schade und danach geht das Leben weiter.

Erschreckend finde ich, wie einige Fans oder auch Menschen im Fernsehen damit umgehen, wenn die Sportlerinnen und Sportler verlieren, z.B. als es bei der Leichtathletik-WM 2023 keine Medaille für Deutschland gab oder als die Herren-Nationalmannschaft bei der WM in Katar die Vorrunde nicht überstanden hat. Es ist ein wenig Trauer und Enttäuschung dabei – das kann ich gut verstehen. Oft ist es aber Besserwisserei oder Häme. Viele Menschen am Fernseher und auch selbsternannte Fachleute im Fernsehen sind regelrecht persönlich beleidigt, dass die Sportlerinnen und Sportler die erhofften Erfolge nicht erbracht haben. Dabei haben wir doch ein Recht auf Goldmedaillen!

Oft ist es abwertend und entwürdigend, wie über die Athletinnen und Athleten gesprochen wird. Ich finde es falsch, von anderen Leistungen zu fordern und dann auch noch gekränkt zu sein, wenn die Erwartung nicht erfüllt wird. Wie schön wäre es, wenn wir Menschen insgesamt gnädiger miteinander umgehen würden – mit mehr Respekt und mit mehr Empathie.

Gottes Blick auf uns Menschen ist ein anderer. Er sieht uns mit allem, was uns gelingt und misslingt – mit allem Guten, das wir tun, und mit all unserer Schuld. Nicht alles wird ihm gefallen und dennoch behalten wir bei ihm einen besonderen Wert und eine Würde, die nicht von unseren Leistungen abhängig ist. Wir alle sind wertvolle Menschen, weil wir geliebte Menschen Gottes sind, unabhängig von unseren Leistungen – und die Sportlerinnen und Sportler sind es auch. Er blickt liebevoll auf alle Menschen – auch dann, wenn sie keine Goldmedaillen holen.

So wünsche ich Ihnen allen einen fröhlichen Sportsommer – mit hoffentlich viel Grund zur Freude und mit einem liebevollen Blick, wenn der Erfolg ausbleibt.

Ihr Marten Lensch,

Superintendent im Kirchenkreis Grafschaft Diepholz