am 29. Oktober 2022
»Wenn ich nicht durch das Zeugnis der Heiligen Schrift oder Gründe der Vernunft überwunden werde, so halte ich mich überwunden durch die Schrift und mein Gewissen gefangen in Gottes Wort. Und darum kann ich und will ich nicht widerrufen, weil gegen das Gewissen zu handeln weder sicher noch lauter ist. Gott helfe mir!«
(Martin Luther auf dem Reichstag zu Worms, 1521)
Ja, Gott helfe mir! Denn Luther wusste sehr genau: Frei wird es nie sein, das Gewissen. Platz wird dort immer für beides sein: für das Gute wie für das Böse, für die Wahrheit wie für die Unwahrheit. Es sei denn: Gott selbst erschließt sich.
Luther hatte das damals erfahren in der Auseinandersetzung mit Gottes Wort – erfahren wir solches auch noch? Oder setzen wir uns schon längst nicht mehr mit dem Wort auseinander, weil wir doch alle wissen, was Glaube ist und wie das so läuft mit Glaube und Kirche. Oft höre ich Entschuldigungen, wenn es darum geht, nicht zum Gottesdienst zu kommen. Sich selbst beruhigende Entschuldigungen: "Ich muss unbedingt noch die Akten durchsehen, die ich mir aus der Firma mitgebracht habe!" „Heute haben wir Familientag, einmal in der Woche ist das doch wohl drin“ - genau jeden Sonntag erneut! Und dann kommt die Aussage der Aussage: "Bestimmt gehe ich nächsten oder übernächsten Sonntag einmal!" – Gewissenhaft „?“!
Kirche, Glaube, gehört durchaus – und das ist gut so - zum Leben dazu. Doch vielen passt es nicht mehr in diese Zeit, diesen öffentlich zu bekennen, sprich zur Kirche zu gehen. Es passt nicht zu meinem Bemühen, mich als starker Typ, der mitten im Leben steht, darzustellen. Mit Glaube und Kirche mache ich doch keine Karriere, da steige ich nicht die Leiter zum Erfolg hinauf. Aber ist Erfolg alles? Befriedigung dadurch zu erfahren, dass man wieder ein Bisschen weiter oder höher gekommen ist. Es muss eine/r doch für mehr auf der Welt sein, als dafür, ein Haus zu bauen, sich alles leisten zu können und Vermögen anzuhäufen. Stimmt! -Zumindest für mich stimmt es. Und eine Antwort finden ich in der Schrift, denn dort ist der Grund gelegt, der unser Leben einem tragfähigen Unterbau gibt. Diesen sollten wir aber nicht nur für uns finden, sondern auf ihn auch hinweisen, indem wir unseren Glauben sichtbar bekennen.
Es stimmt: Glaube öffentlich zu leben ist nicht leicht, weil viele es kaum noch tun, aber vielleicht können wir wenigstens vor unseren Freunden einmal anfangen davon zu reden, wo uns das Gottvertrauen schon geholfen hat und warum wir vielleicht doch gern in einen Gottesdienst gehen. Und wer weiß, vielleicht gelingt es uns doch - zunächst in der Familie - dass wir mit einem kleinen Tischgebet - es gibt sehr schöne im Gesangbuch! - unser gemeinsames Essen beginnen? In alledem liegt ein ganzes Stück "Bekenntnis" zu unserem Glauben und damit etwas vom wichtigsten Gedanken, warum wir am kommenden Montag Reformationsfest und nicht Halloween feiern. Feiern Sie doch mit – es lohnt sich!
Ihr Pastor Rainer Hoffmann