Dazwischen

15. Mai 2021

Wort zum Sonntag

Pastor Horst Busch; Foto: privat

am 15. Mai 2021

Exaudi, der Sonntag irgendwie dazwischen. Ostern ist vorbei. Himmelfahrt grad gewesen. Und Pfingsten ist noch nicht da. Und so entsteht ein merkwürdiger Zwischenraum, in dem wir mit den Jüngern in einer Dachkammer in Jerusalem sitzen und warten. Auf das, was werden will, aber noch nicht zu greifen ist.

Zwischenräume wirken oft bedrohlich, weil sie nicht selten mit den großen Krisen in unserem Leben einhergehen. Das Leben vor der Krise gibt es nicht mehr und ein Leben danach ist noch nicht in Sicht. Der Raum dazwischen wirkt wie leer, wie ein Vakuum, lebensfeindlich, bedrohlich, schwer auszuhalten und deshalb rasch zu füllen. Aber stimmt das?

Meine beiden kleinen Kinder lieben es, zu schaukeln. Dabei gibt es einen besonderen Moment: den kurzen Raum, der zwischen dem Auf-und dem Abschwung entsteht. Genau hier fangen sie regelmäßig an, zu lachen und zu juchzen. Menschen, die meditieren, kennen einen ganz ähnlichen Zwischenraum: den zwischen dem Aus- und dem Einatmen. Wir alle kennen den kostbaren Raum zwischen Wachen und Schlafen, wissen darum, dass es sich lohnt, zwischen den Zeilen zu lesen, und Musiker werde nicht müde, darauf hinzuweisen, dass Musik zwischen den Noten entsteht.

Zwischenräume sind eben kein Vakuum, sondern bergen in sich ein eigenes, kreatives Potential. So auch der Sonntag Exaudi. Er lebt von der Verheißung, dass mit der Erhöhung Christi an Himmelfahrt ein neues Dazwischen, ein neuer Zwischenraum entstanden ist, angefüllt mit seiner Gegenwart. Die nach uns fragt und uns zu sich zieht, die uns aufrichtet und stärkt, die uns verwandelt und ein neues Miteinander stiftet.  Der Name Exaudi gibt nun einen Hinweis, wie wir mit diesem Zwischenraum umgehen können. Herr, höre meine Stimme, wenn ich rufe, nach diesem Vers aus Psalm 27 ist er benannt. Kein Patentrezept also, sondern ein offener Ruf. Aber wenn ich es riskiere, in diesen Ruf einzustimmen, kann ich die Erfahrung machen: da ist einer, der mich hört. Der mir durch sein Zuhören hilft, die Würde zu entdecken, die in den Zwischenräumen meines Lebens liegt. Und mir damit neue Spielräume schenkt.

1, 50 Meter - seit einem Jahr bestimmt dieser Zwischenraum unser aller Leben.  Auch in mir wächst die Sehnsucht, wieder einmal unbefangen Menschen die Hand geben oder umarmen zu können. Aber: auch dieser neue Zwischenraum hat seine ganz besondere Würde. Es wäre schade, wenn wir ihn aus Ungeduld mit dem füllen, was vorher war.

Horst Busch, Springerpastor im Kirchenkreis Grafschaft Diepholz