am 17. Juni 2023
Wenn alles geklappt hätte, wüsste ich jetzt gar nicht, woher ich die Zeit nehmen sollte, um ein „Wort zum Sonntag“ zu schreiben. Dann hätten wir jetzt drei Frauen und drei Männer aus der lutherischen Kirche in der Zentralafrikanischen Republik zu Gast – und mit denen wäre ich dann in jeder „freien“ Minute unterwegs von einem Termin zum nächsten. Wenn alles funktioniert hätte.
Hat es aber nicht: Kein Visum für unsere Gäste. Zumindest nicht rechtzeitig zur Abreise. Das ist mehr als nur ärgerlich. Das stellt unsere Partnerschaft mit der Bibelschule Baboua, einer Ausbildungsstätte der zentralafrikanischen Kirche, erneut auf eine harte Probe. Denn wovon soll diese Partnerschaft leben, wenn keine Begegnungen möglich sind – und das schon seit Jahren? Bürgerkrieg dort, die Corona-Pandemie überall, Reisewarnungen des Auswärtigen Amtes – das alles hat verhindert, dass wir uns sehen und wirklich miteinander unterwegs sein konnten. Und nun eben das ausbleibende Visum.
Ja, es gibt Telefon; es gibt E-Mail; es gibt Videokonferenzen. Auch in meinem deutschen Alltag bin ich dankbar für digitale Begegnungsmöglichkeiten. Dankbar, dass wir diese Möglichkeiten in den letzten Jahren neu oder erneut entdeckt haben. Und doch können sie ja die echten, die „analogen“ Begegnungen nur sehr begrenzt ersetzen. Das war doch das Schöne am Kirchentag, an diesem bunten Fest des Glaubens in der vergangenen Woche: Dass er wieder „live und in Farbe“ stattfinden konnte.
Unsere zentralafrikanischen Geschwister können wir jetzt mal wieder nicht „live und in Farbe“ sehen. Was uns bleibt, sind Telefon, E-Mail und Videokonferenzen. Was uns bleibt ist das, was wir das „informierte Beten“ füreinander nennen. Und die Erkenntnis, die einer der zentralafrikanischen Väter unserer Partnerschaft schon vor 25 Jahren so formuliert hat: „Wir leben doch alle unter demselben Himmel.“
Unter demselben Himmel – nicht nur unsere zentralafrikanischen Geschwister und wir, sondern alle Menschen. Geschaffen und geliebt von dem Gott Israels, den Jesus „Vater“ genannt hat. Ein großes Geschenk, das eine große Verantwortung mit sich bringt: Wir leben alle als Gottes Familie unter demselben Himmel. Wir tragen alle gemeinsam Verantwortung für denselben Planeten. Jetzt ist die Zeit, uns daran zu erinnern. Ob mit Visum oder ohne.
Michael Steinmeyer, Pastor in der Gesamtkirchengemeinde Ströhen-Wagenfeld