am 30. Oktober 2021
Wer bin ich? Was ist mir wirklich wichtig? Bin ich in Ordnung, so wie ich bin? Oder muss ich irgendwie anders, besser werden, damit ich wieder Erfolg, oder überhaupt noch eine Zukunft habe? Jugendliche stellen sich diese Fragen vor einem Schulabschluss ebenso wie Erwachsene nach einer in die Brüche gegangenen Partnerschaft. Menschen, die sich in ihrem Leben neu orientieren müssen ebenso, wie Firmen, Parteien, Fußballvereine oder Kirchen, die aus was für einen Grund auch immer in Existenznöte geraten sind. Auffallend ist dabei nicht selten die Bereitschaft, schonungslos mit sich selbst ins Gericht zu gehen: dass man nun wirklich alles hinterfragen und jeden Stein umdrehen müsse, ist dann häufig zu hören. Aber führt eine solche Gnadenlosigkeit wirklich zu einem Neuanfang? Vielleicht hilft hier ein Blick auf Martin Luther weiter, dessen Reformation wir morgen gedenken.
Um der ungeliebten Berufslaufbahn zu entgehen, auf die ihn sein Vater zwingen wollte, war Luther in ein Kloster eingetreten. Zwar wurde er dort ein vorbildlicher Mönch, aber auch hier wurde er lange Zeit das Gefühl nicht los, nicht auszureichen, nicht richtig zu sein, gerade Gott nicht gerecht werden zu können. Bis er eines Tages entdeckte, dass er das auch gar nicht brauchte, denn in Jesus Christus kommt Gott selbst auf jeden Menschen zu, beseitigt selbst alles Trennende, verschenkt sich selbst und seine Gerechtigkeit und macht so jeden, der im Glauben seine Nähe sucht, mit sich selbst beziehungsfähig. Gnade, so wird Luther dieses Sich-Verschenken Gottes nennen. Und das Entdecken eben dieser Gnade bildet den Kern von Luthers Reformation.
Wir sollten uns daran erinnern, wenn wir uns in einer Krise befinden. Dass ein gnadenloser Blick auf sich selbst oft nichts verändert. Dass vor allem anderen die Gnade die Kraft einer wirklichen Reformation in sich birgt. Denn: Womit ich auch immer gescheitert bin, was ich niemals erreichen werde, womit ich immer hinter den Erwartungen zurückbleibe, was ich mir auch geleistet habe oder niemals werde leisten können: Ich bleibe immer Gottes geliebtes Gegenüber. Gott glaubt an mich, auch wenn ich meinen Glauben verloren habe. Gott schenkt mir seinen Glauben, damit ich wieder glauben kann. Dass, womit ich gescheitert bin, nimmt Gott von mir, und schenkt mir sich selbst, seine Liebe, seine Gerechtigkeit, sein Leben. Durch Jesus Christus, unserm Bruder und Herrn. Ein gesegnetes Reformationsfest wünscht Ihnen
Horst Busch
Springerpastor im Kirchenkreis Grafschaft Diepholz