am 5. September 2020
Nun ist es also schon wieder so weit. In steter Regelmäßigkeit wiederholen sich die maßgeblichen Feste, Themen- und Veranstaltungswochen bei „Kirchens“. Ob evangelisch oder katholisch macht da im Wesentlichen kaum einen Unterschied. Während Advent und Weihnachten noch ein knappes Vierteljahr auf sich warten lassen, Ostern mittlerweile schon fast 5 Monate hinter uns liegt, steht uns nun die alljährliche „Woche der Diakonie“ unmittelbar bevor. Die allerdings hat zwar auch, aber eher indirekt und mittelbar mit Krippe und Kreuz zu tun. Jedenfalls gilt es mir immer als besondere Herausforderung, zu erklären, was die soziale Arbeit des Diakonischen Werkes denn nun mit Gott zu tun hat. Dabei gibt es zwei Standardbegriffe, die in der Diakonie immer wieder auftauchen. „Barmherzigkeit“ und „Nächstenliebe“ heißen die. Das verorten auch selbst kirchenferne Menschen meist noch immer als zu den Geschichten Jesu zugehörig.
Darum soll’s gehen in der Diakonie: Menschen sollen sich begegnen, sich nicht übervorteilen, nachsichtig miteinander sein, sich unterstützen und gemeinsam neue Chancen miteinander entdecken. Wertschätzung und Achtsamkeit füreinander sind die tragenden Werte diakonischen Handelns. Das alles hat mit Gott zu tun, weil wir als Christen glauben, dass Gott „barmherzig und gnädig, geduldig und von großer Gnade und Treue ist, der da Tausenden Gnade bewahrt und vergibt Missetat, Übertretung und Sünde.“ Jedenfalls wird genau so das Wesen Gottes in der Bibel beschrieben, auf die wir uns im Diakonischen Werk beziehen, wenn wir versuchen, Barmherzigkeit und Gerechtigkeit zu verbinden.
Als Diakoniearbeitende haben wir uns solches direktes Reden von Gott, diese unmissverständliche Gottesrede, fast ganz abgewöhnt. Auch die Themen der alljährlichen Diakoniewochen zeigen das. Im letzten Jahr hieß das Thema „Unerhört“ und kam damit auf die Lebenssituationen zu sprechen, die allgemein nicht zu Sprache gebracht werden, weil sie gesellschaftlich keine Lobby finden. In diesem Jahr steht die Woche unter dem Titel „Mitreden“ und meint sowohl das miteinander ins Gespräch kommen wie auch das sich Beteiligen an öffentlicher Diskussion. Vom Unerhörten zum Mitredenden - für mich klingt das wie eine Steigerung, eine Weiterentwicklung. Als ein Drittes fehlt mir aber noch ein Schritt, der das Hören und Reden zum Tun wachsen läßt.
In der kommenden Woche finden Sie in dieser Zeitung tägliche Interviews mit meinen Kollegen und Kolleginnen im Diakonischen Werk. Alle Arbeitsbereiche, angefangen bei der Geschäftsführung, über die verschiedenen Beratungsangebote bis zum Superintendenten als geistlicher Leitung werden über Unerhörtes befragt. Jede und jeder äußert sich über die Form des eigenen Mitredens und beschreibt das eigene Tun, damit Unerhörtes nicht mehr übersehen wird.
Zuhören - Mitreden - sich Einmischen. Das scheint mir nicht nur ein angemessener diakonischer Dreischritt zu sein. Das täte auch unser aller Alltag außerhalb der Kirche gut. Und dann ergäbe das vielleicht auch ein sich Einmischen in kirchliche Entwicklungen von aussen nach innen. Und nicht nur eine Austrittsbewegung. Aber das ist wieder eine andere Geschichte.
Ich wünsche Ihnen eine gute, lesefreudige neue Woche.
Rüdiger Fäth
Diakon im Kirchenkreis Diepholz