Wofür stehe ich?

18. April 2021

Wort zum Sonntag

Marten Lensch Superintendent Foto: Jantje Ehlers

am 17. April 2021

Wofür stehe ich?

„Hier stehe ich! Gott helfe mir! Amen!“ Ob Luther es tatsächlich gesagt hat, ist nicht belegt. Er soll es vor 500 Jahren – am 18. April 1521 – auf dem Reichstag zu Worms gesagt haben. Es waren aufregende Zeiten: Luther hatte viele Schriften geschrieben. Er hatte die Theologie mit einem neuen Vorzeichen versehen: „Der Mensch wird durch den Glauben allein durch Gottes Liebe frei und gerechtfertigt – nicht durch eigene Leistungen und auch nicht durch die Gnade der Kirche.“ Ein Bruch mit der mittelalterlichen Kirche! Nun steht er vor dem Reichstag und soll seine Schriften widerrufen. Luther wusste, dass vor ungefähr einhundert Jahre ein anderer Reformator auf einem Konzil hingerichtet wurde. Den Tod vor Augen bleibt er dennoch standhaft und verleugnet seine Schriften und so seinen Glauben nicht. Er überlebt – und mit ihm die neue Glaubensrichtung.

Heute haben wir Religionsfreiheit. In Deutschland muss niemand Todesangst haben, wenn er sich zu seinem Glauben bekennt. Wie gut! Und doch gibt es Situationen, in denen von mir als Christ noch heute Bekennermut gefragt ist:

Wenn ich als Christ glaube, dass Gott das Leben will, dann setzte ich mich dafür ein, dass  geflüchtete Menschen im Mittelmeer vor dem Ertrinken gerettet werden, und ich unterstütze solche Rettungsorganisationen – auch dann, wenn es Menschen in Deutschland gibt, die die Mauern um Europa lieber hochziehen.

Wenn ich als Christ glaube, dass Gott uns diese Welt anvertraut hat, dann gehe ich mit auf die Straße, wenn die jungen Leute von Fridays for Future sich für den Erhalt unserer Schöpfung engagieren – auch dann, wenn es viele Menschen nervt, auf ihre egoistische und umweltzerstörende Lebensweise angesprochen zu werden.

Wenn ich glaube, dass jeder Mensch ein Ebenbild Gottes ist, dann ist für mich Rassismus und jede Diskriminierung ausgeschlossen – gerade weil Rassismus und Diskriminierung heute auch bei uns noch zum Alltag gehört.

Für mich haben die Themen etwas mit meinem Glauben zu tun – mit meinem Glauben an Gottes Liebe zu allen Menschen.

Nicht immer gelingt es mir, standhaft aufzustehen und meinen Glauben laut mit allen Konsequenzen zu vertreten. Manchmal bin ich zu still, zu unsicher, zu ängstlich.

Aber manchmal bin ich mutig, stelle mich vor oder hinter andere Menschen – je nachdem, was sie brauchen. Wie vor 500 Jahren Martin Luther stehe ich dann für meinen Glauben – für den Gott, der die Menschen liebt.

„Hier stehe ich! Gott helfe mir! Amen!“

 

Marten Lensch

Superintendent im Kirchenkreis Grafschaft Diepholz