am 7. November 2020
Den ganzen Tag über hören wir die Rufe der Kraniche und der Wildgänse. Unberührt von dem, was uns Menschen unten auf der Erde umtreibt, ziehen sie in ihren wunderbar geordneten Dreiecksfiguren über uns hinweg, der Wärme, dem Licht entgegen. Sie kennen den Weg. Ob sie, wenn ein Sturm aufkommt, auseinander getrieben werden?
So wie wir jetzt? Wo eine Turbulenz die andere ablöst, ein Schrecken dem anderen folgt? Jetzt, wo wir bedroht sind von Krankheit, Einsamkeit, Arbeitslosigkeit und finanziellen Sorgen, und wo wir mit innerer Beteiligung nach Amerika schauen und friedliche Zeiten wünschen?
Was Elia in alttestamentlicher Zeit geplagt und umgetrieben hat, war eine ganz andere Sache. Aber der Ausweg, den er fand, ist auch für uns ein Ausweg. Sie kennen die Geschichte des streitbaren Propheten Elia, der mit den Baalspriestern darum wetteiferte, wessen Gott die schlimme Dürre beenden könnte, indem er Regen schickte, Baal oder der Gott Israels?
Israels Gott half. Dann ließ Elia sich hinreißen und tötete die unterlegenen Baalspriester. Die Rache folgte auf dem Fuß. „Die Götter sollen mir dies und das tun, wenn ich nicht morgen um diese Zeit dir tue, wie du diesen getan hast!“ schwört Königin Isebel, die Baal verehrt (1. Könige, 19,2). Sie lässt Elia nachjagen. Panik ergreift ihn. Er läuft um sein Leben. Zu Tod erschöpft fällt er unter einen Wüstenstrauch: „Herr, nimm meine Seele von mir!“
Gott hört ihn und er hat noch viel vor mit ihm. Gottes Engel rührt Elia an: „Steh auf und iss! Denn du hast einen weiten Weg vor dir.“ Elia macht sich gestärkt auf und wandert 40 Tage und 40 Nächte durch die Wüste. Allein, in sozialer Isolation. Hat er gelitten? Wir wissen es nicht. Wir wissen nur, dass diese Wüstenzeit für ihn sinnvoll war: Sie bereitete ihn vor auf eine alles verändernde Begegnung mit Gott.
Wir erleben die Zeit jetzt als Krisenzeit. Was sicher war, ist nicht mehr sicher, was selbstverständlich war, gilt nicht mehr. Vor einem Jahr hätten wir uns unsere augenblickliche Lage nicht vorstellen können. „Wo bleibst du, Trost?“ fragt nun manch einer, der vor lauter Geschäftigkeit früher so eine Frage nicht gestellt hätte. Weshalb auch? Jetzt ist es anders. Jetzt ist Zeit, sich zu besinnen und zu fragen: „Wo bleibst du, Trost der ganzen Welt, darauf sie all ihr Hoffnung stellt?“ (Evang. Gesangbuch 7,4) und sich zu erinnern: „Wir haben einen Gott, der hilft.“
Elia begegnete nach der vierzigtägigen Wüstenwanderung seinem Retter. Am Ende begegnen auch wir ihm in diesen Lockdown-Wochen, die uns so gar nicht gefallen? Darum beten wir.
Pastorin Friederike Müller, Diepholz