am 13. Januar 2024
Ich habe das große Glück, immer wieder mit verschiedenen Menschen über das Thema Berufung zu sprechen. Spannend ist dabei, wie diese den Begriff Berufung für sich übersetzen: Herzensangelegenheit, Leidenschaft, Sendung, Auftrag, Erfüllung sind ebenso vertrete wie: Hören, Nachfolge, Überzeugt-sein, Suchen und Fragen. Schnell wird deutlich, dass natürlich der Beruf im Idealfall der eigenen Berufung entsprechen sollte, Berufung aber weiter zu verstehen ist und deutlich mehr umfasst. Beim Beruf geht es oft um die drei Fragen: Was kann ich (Fähigkeiten)?, Was mache ich gerne (Leidenschaft)? und Was braucht es (Markt)?. Bei der Frage nach der eigenen Berufung werden noch mindestens zwei Fragen dazugelegt: Was sind meine Bedürfnisse? und Was ist meine Sehnsucht?. Manchmal haben Menschen einen sehr direkten und intuitiven Zugang dazu, oft liegen wertvolle Aspekte eher wie bei einem Eisberg unter der Wasseroberfläche; sie sind da, aber dem jeweiligen Menschen nicht bewusst.
In der Berufungspastoral geht es mir und meinen beiden Kolleginnen vor allem darum, dass Menschen ihre je eigene Berufung entdecken und leben können; dass sie einen gesunden Zugang zu ihren eigenen Stärken, Bedürfnissen und Sehnsüchten bekommen und dadurch Orientierung bzw. Neuorientierung für sich und ihr Leben finden. Wie gesagt spielt der Beruf eine wichtige, aber keineswegs die einzige oder entscheidende Rolle dabei. Auch die anderen Lebensbereiche – Gesundheit, Beziehungen, Ressourcen, Emotionen, Werte und Spiritualität – können je nach Thema so einfließen, wie es für den jeweiligen Menschen stimmig ist.
Für uns selbst ist die christliche Spiritualität dabei eine wichtige Kraftquelle und Orientierungshilfe; mal mehr im Vordergrund und mal mehr im Hintergrund. Wir sind davon überzeugt, dass jeder Mensch die (von Gott geschenkte) Berufung hat, im Sein und Tun erfüllt zu leben; und das kann sich in sehr unterschiedlicher Weise ausdrücken.
Die Bibel erzählt uns immer wieder davon, dass Menschen in der Begegnung mit Jesus eine Ahnung von so einem erfüllten Leben bekommen. „Kommt und seht!“ sagt er den ersten Jüngern zu; nicht: Glaubt!; nicht: Bekehrt euch!, sondern: Kommt und seht!. Ich darf in der Gemeinschaft mit Jesus sein, meine eigenen Erfahrungen machen, und im Herzen so etwas wie Erfüllung spüren. Vielleicht ist genau das meine Berufung, die ich immer wieder neu entdecken und leben darf.
Ansgar Stolte, Pfarrgemeinschaft Barnstorf, Diepholz, Sulingen