am 24. Dezember 2020
Gehören Sie zu denen, die skeptisch sind, ob die Weihnachts-Gottesdienste angesichts der Corona-Abstandsgebote tatsächlich erforderlich sind? Empfinden Sie es als ungerechtfertigtes Privileg der Kirchen, in diesen Tagen überhaupt noch Gottesdienste feiern zu dürfen, Hygienekonzept hin oder her? Zugegeben, ich gehöre zu den Skeptikern. Aber ich kann mir auch in diesem Jahr die Heilige Nacht nicht ohne Weihnachtsgeschichte und „O du Fröhliche“ vorstellen.
Ich bin groß geworden, mit Krippenspiel, Betlehem, mit Hirten, Königen und vor allem mit der Hoffnungs-Geschichte von dem auf Stroh gebetteten Kind. Das alles hat sich mir wie eingebrannt in den Jahresablauf. Und es gehört zu meiner festen Glaubensgeschichte. Darauf zu verzichten, ist mir fast unmöglich. Ich weiß, dass es Vielen so geht. Genau deswegen stehe ich bei all meiner Skepsis zu den Angeboten von Kirchengemeinden, trotz Maskenpflicht, Abstandsgebot und Gesangsverbot auch in diesem Jahr Gottesdienste in kreativer Vielfalt anzubieten.
Außer der Weihnachtsgeschichte gibt es noch einen Text, der zu Weihnachten gehört, wie für viele von uns der Senf zur Wurst vor der Bescherung am Heiligen Abend. „Also hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, auf das alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben.“ (Joh. 3,16) Auch hier etwas Bekanntes. Gott, Sohn, Liebe, ewiges Leben… alles vertraute Größen, Endlos-Wiederholungen im christlichen Glauben.
Weihnachten läuft Gefahr, Idylle in Endlosschleife zu sein. Stern, Krippe, Ochs & Esel, die heilige Familie wie in 1001 orientalischen Nacht. Das blendet mit Beschaulichkeit. Aber Weihnachten ist ein soziales Geschehen. Erst recht im Jahr des Social Distancing. Hoffnung soll das Ergebnis sein. Und Mut machen soll es. Und deswegen ist es gut, mit Gottesdiensten die Orte für Hoffnung und Orientierung zu bieten.
Wer den Focus des Lebens auf seine Schrecken setzt, wer nur Katastrophen, Leid & Infektionsgeschehen sieht, wird vielleicht auch dazu kommen, Gott als Ursache dafür zu sehen. Es wird fragwürdig: „Also hat Gott die Welt geliebt…“ Die darin enthaltene Zusage verblasst.
Weihnachten als soziales Geschehen: Was für ein schönes Bild. Der Gottessohn, der in die Welt kommt und neues Leben bringt. Mit Jesus läßt sich Gott auf diese Welt ein, wie sie ist und setzt auf die Hoffnung, dass sie sich, allem Negativen zum Trotz, lebenswert gestalten lässt.
Wenn ich glauben kann, dass Gott in Jesus wie ein Eingeborener in dieser Welt lebt, abhängig von sinnvoller Bewahrung der Schöpfung und ausgestattet mit allen lebenswichtigen Sinnen, dann ist mir die Formulierung vom ewigen Leben gar nicht so fremd. Die Geburtslegende Jesu deutet an, worum es geht: offene Lebenswege, in`s Bild eines Neugeborenen gefasst. Das weist Menschen auf die Möglichkeit von etwas unbedarft Neuem hin.
Weihnachten feiern wir ein neues Licht in der Welt. Das hat Entlarvendes wie Erhellendes. Und in diesem Licht betrachtet, erscheint vieles veränderbar. Wir alle, Lichtflüchtlinge vor dem Herrn, werden Jahr für Jahr neu angelockt vom ewig Gleichen: „Also hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab.“
Lassen wir uns davon anstecken. Und nicht von Corona. Gesegnete Weihnachten!
Rüdiger Fäth
Diakon im Kirchenkreis Diepholz