am 14. Mai 2022
In diesen Wochen sitzen sie sonntags wieder in den Altarräumen unserer Kirchen: Die Kon-firmandinnen und Konfirmanden. Für einen Sonntag sind sie die Hauptpersonen im Gottes-dienst, stehen im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit und sitzen dort vorn auch ein bisschen auf dem Präsentierteller. Eine Mischung aus Verlegenheit und Stolz meine ich bei den meisten wahrzunehmen, wenn alle auf sie blicken und ihnen zugesprochen wird: „Gott sieht dich an.“
Wie Gott einen Menschen ansieht – davon erzählt die Bibel an vielen Stellen. Drei Beispiele: Die Bibel erzählt von Hagar, einer ägyptischen Sklavin und Leihmutter wider Willen. Sie ist vor ihrer Herrin Sara in die Wüste geflohen. Ausgerechnet dort, wo sonst niemand sie sieht, wird sie von Gott gesehen und angesprochen. Gott sieht sie; Gott gibt ihr Ansehen; und Hagar kann sagen: „Du bist ein Gott, der mich sieht.“
Die Bibel erzählt von David, dem jüngsten Sohn des Schafzüchters Isai. Niemand hat ihn auf der Rechnung, als es darum geht, den künftigen König Israels zu salben. Gott aber hat nicht seine großen und starken Brüder für diese Aufgabe im Blick, sondern ihn, den „Lütten“. Der Prophet Samuel kommentiert das mit den Worten: „Ein Mensch sieht, was vor Augen ist; der HERR aber sieht das Herz an.“
Die Bibel erzählt von einem jungen Mann, der Jesus fragt, was er tun soll, damit sein Leben vor Gott Bestand hat. Jesus sieht ihn an und gewinnt ihn lieb – und dann erst konfrontiert er ihn mit der unmöglich scheinenden Forderung: „Verkaufe alles, was du hast; gib das Geld den Armen – und dann komm und folge mir nach.“
Drei Menschen, die Gott ansieht; drei Menschen, denen Gott Ansehen gibt. So wünsche ich es unseren Konfirmandinnen und Konfirmanden. Vielen kritischen Blicken sind sie ausgesetzt – von anderen und von sich selbst. Aber das wünsche ich ihnen: Dass sie sich so angesehen fühlen von anderen Menschen und von Gott: Vorbehaltlos liebend. Dass sie spüren: Gott gibt ihnen Ansehen. Dass sie sich darin festmachen – konfirmieren – und unter Gottes liebevollem Blick tun können, was Gottes Auftrag an erwachsene Christenmenschen ist: Glaube, Hoff-nung und Liebe auszubreiten in der Welt.
Michael Steinmeyer, Pastor in Wagenfeld