am 07.03.2020
Neulich, beim Aufräumen des Arbeitszimmers, finde ich eine kleine gelbe Karte, ungefähr im Format eines dieser größeren Post-it Aufkleber. Dieses unscheinbare, kleine Stück Papier trägt den Aufdruck: „Für was bist Du (heute) dankbar?“ Ich habe das irgendwann einmal in einer Morgenandacht in die Hand gedrückt bekommen. Damals fand ich das etwas kitschig, typisch eher für den Versuch, eine fromme Ansprache originell zu beginnen. Beim Aufräumen stocke ich nun und komme ins Grübeln.
Für was bin ich heute dankbar? Es fällt schwer, angesichts der aktuellen Panikstimmung einer drohenden Corona-Pandemie und akuter Flüchtlingseskalation überhaupt noch über etwas anderes nachzudenken. Bin ich dankbar, dass es mich der Virus noch nicht erwischt hat? Oder ist diese Dankbarkeit nicht eher ein Froh-sein, dass es in Deutschland bislang weniger Infizierte gibt als anderswo) Bin ich in Zeiten von weltweit über 70 Millionen Flüchtlingen dankbar, nicht dazuzugehören, oder ist das eher ein Beruhigt-sein, dass die Krisenzentren dieser Welt und ihre Hungerregionen so weit weg zu sein scheinen? Und was unterscheidet Dankbarkeit eigentlich von dieser stillen Freude, die dem Froh-sein innewohnt?
Für was bin ich heute dankbar? Dankbarkeit, denke ich, braucht ein Gegenüber. Froh-sein gelingt auch schon im Miteinander. Dankbarkeit braucht ein Du, Froh-sein erlebt sich deutlicher im Wir. Beides ist unverzichtbar. Was, würden Sie sagen, macht Sie froh, was lässt Sie dankbar sein? Und wenn Sie diese Frage zu beantworten versuchen, was lässt sie beides voneinander unterscheiden?
Für was bin ich heute dankbar? In dieser Frage ist das Heute wichtig. Es geht weniger darum, was gestern geschehen ist, nicht um das, was mich so hat werden lassen, wie ich bin. Ein jeder und eine jede ist durch den Einfluss anderer so geworden, wie er oder sie aktuell ist und denkt. Aber nicht alles sind dankbar dafür. Und das manchmal aus gutem Grund. Manche sind dankbar für das Gefühl, eine gute Perspektive für die Zukunft zu haben, berechtigte Hoffnung auf ein sicheres Morgen. Trotz allem schwingt dabei eine Unsicherheit mit: ob auch letztlich alles so werden wird, wie von langer Hand umsichtig und sorgsam vorbereitet. Ein zunächst unbeherrschbarer Virus verweist uns da urplötzlich in die Grenzen des selbst Machbaren.
Für was bin ich heute dankbar? Eine kleine Übung mag da helfen. Passt auch gut in die gerade aktuelle Fastenaktion zum Thema „7 Wochen ohne Pessimismus“. Vielleicht nehmen Sie sich in der kommenden Woche einmal Zeit, sich an den Abenden jeweils nur drei Dinge zu notieren, für die sie jeweils am aktuellen Tag dankbar sind. Vielleicht fällt Ihnen dabei ja auch ein überraschender Adressat für diese Dankbarkeit ein. Und, damit wir uns nicht missverstehen, nur weil Sie meinen, das gehöre sich so für ein Wort zum Sonntag: das kann, muss aber keinesfalls Gott sein.
Ich wünsche Ihnen ein gutes Wochenende und eine dankenswerte neue Woche mit einem Satz der holländischen Christin Corrie ten Boom. „Sich Sorgen nimmt dem Morgen nichts von seinem Leid, aber es raubt dem Heute die Kraft“
Rüdiger Fäth
Diakon im
Kirchenkreis Diepholz