Palmarum

23. März 2024

Wort zum Sonntag

Silke Kuck; Foto: Jantje Ehlers

am 23. März 2023

Für wen würden Sie sich die Kleider vom Leib reißen? Solches Hosianna ist überwältigend: Was geschieht da mit den Menschen? Denn beschrieben wird die totale Hingabe an einen Menschen, an eine Idee. Palmarum: Jesus zieht in Jerusalem ein… Und während der Freudentaumel noch andauert, beginnt das Andere. Angst und Verrat, Schmerz und Enttäuschung greifen nach Körpern und Seelen, Hass macht sich breit, was bleibt sind Verlust und Tod. Wie sollen wir damit leben? Wie soll es weitergehen? Kreuzige!! - Das ist die Antwort vieler Enttäuschter, Verzweifelter, Ängstlicher. Und doch: es ist so menschlich! Das merkten die osterbewegten jungen Gemeinden damals; das merken Gemeinden heute, wenn frisch Konfirmierte ganz schnell verschwinden; wenn Nachbarn, Freunde und Angehörige mit der Kirche nichts mehr zu tun haben wollen. 

Wir sind also von einer großen Menge von Zeugen wie von einer Wolke umgeben… Du bist nicht allein! – lautet eine Antwort darauf. Wer sich auf Glauben an Jesus Christus einlässt, der taucht ein in die Fülle; wer sich mit glaubenden Augen umschaut, der sieht: da sind unzählige wie ich; wer glaubt, der wird getragen durch eine Wolke von Zeugen! Die Wolke trägt durch Fragen, Zweifel. Denn auch keiner dieser Glaubenszeugen ist perfekt! Selbst biblische Vorbilder wie Moses, Abraham, Noah, Paulus oder Petrus haben ihre „Schwachstellen“. Und das ist kein „Tratsch“, sondern ein Nachspüren, warum zweifelnden und fluchtbereiten Gemeindegliedern so geantwortet wurde. Da wird den Menschen ins Herz geschaut: wir glauben, weil Menschen es uns vorleben. Die wenigsten werden vom geschriebenen Wort auf Anhieb ergriffen. Glaube wächst, wo Menschen erzählen und im Glauben leben. Die Zeugen verschweigen ihre Zweifel nicht, ihre Fragen. Und so wie sie Antwort und Halt fanden, sind sie Vorbilder für Glaubende. Da sind die biblischen Zeugen und die persönlichen Glaubenszeugen. Ich danke Gott noch heute für die zwei, vielleicht drei Frauen und Männer, die mich bewegt haben.  Glauben mit allen Folgen und eigene Wünsche nach Erfolg, Familie und so weiter, das liegt oft miteinander im Kampf. Welcher Weg ist der Richtige? Jeder Weg ist wertvoll, denn es ist der einzige Weg, das einzige Leben, das jeder und jede von uns bekommen hat. Die Suche nach dem eigenen Weg, mit der Hosianna-Stimmung umzugehen ist unabdingbar. Sonst verliert man sich in der Masse der Kreuzige-Rufenden, in der Menge derer, die die Kirchen verlassen. Menschen, denen der Preis – manchmal buchstäblich – zu hoch ist. Wer sich auf den Glauben an Christus einlässt, für den ist das größte Vorbild, der größte Glaubenszeuge Jesus. Er ist „der Anfänger und Vollender“ des Glaubens. Doch mein Weg, meine Aufgabe ist eine andere, eine mir entsprechende - als Glaubenszeugin.

Für wen würden Sie sich die Kleider vom Leib reißen? Welchen Raum geben wir dem Hosianna von Palmarum heute in unserem Leben? Wie gehen wir mit unserer ach so menschlichen Fluchttendenz zum Kreuzige-Rufen um? Wir lassen uns tragen – durch eine Wolke von Zeugen. Wir lassen uns versprechen, dass unsere Lasten mitgetragen werden, dass unsere Kraft geschätzt und nicht überbeansprucht werden soll. Hosianna: Jesus ist da!! Gedenkt an den… Dann werdet ihr nicht müde werden und nicht den Mut verlieren. (Heb 12, 1-3)

Silke Kuck, Pastorin der Kirchengemeinde Neuenkirchen-Schmalförden