Wie hält man die Bibel hoch?

20. Juni 2020

Wort zum Sonntag

am 20. Juni 2020

Das fragte der Präses der Ev. Kirche im Rheinland, Manfred Rekowski, vor 2 Wochen angesichts des bizarren Auftritts von Donald Trump. Dieser hatte sich mit hochgehaltener Bibel medienwirksam zwei Minuten lang vor einer Kirche präsentiert.
Was aber auffiel: kein versöhnendes Wort, erst recht kein Gebet, sondern nur eitle Show!
Man kennt solche grotesken Auftritte von ihm und ist schon abgestumpft angesichts seines unsensibleren und unverschämten Gebarens.
Es ist aber ein Bild, das mich als Pastor äußerst verärgert hat und mir seitdem nicht mehr aus dem Kopf geht. Kurz zuvor ließ er sich von Soldaten ziemlich gewalttätig den Weg zum Fototermin frei räumen. Demonstrationen gegen Polizeigewalt und Rassismus waren vorrausgegangen. Und entzündet hatten sich die Proteste am Tod von George Floyd, dem ein Polizist  bei seinem brutalen Einsatz die Luft abdrückte. Über 8 Minuten rang jener um Atem bis er kurz darauf verstarb.
Man hält die Bibel anders hoch als in einer plakativer Medien-Geste, ohne zu wissen,
was darin geschrieben steht, geschweige, ohne innere Überzeugung.
Man instrumentalisiert die Bibel nicht, um sich selbst in Szene zu setzen.
Und man missbraucht sie nicht als Mittel zum Wahlkampfes, nur um bei evangelikalen Wählern zu punkten.
Ich enthalte mich einer persönlichen Bewertung darüber, wessen Geistes Kind dieser Mann denn überhaupt ist. Der Autor Andreas Weiß erklärt ihn jedoch in seinem Buch:
Trump. Du sollst keine anderen Götter neben mir haben zur Gefahr für die Zivilreligion.
Und Papst Franziskus sagte 2016: Eine Person, die daran denkt, Mauern statt Brücken zu bauen, ist nicht christlich. Das ist nicht das Evangelium.  
Ich wünsche mir vielmehr Menschen, die die Bibel hochhalten, indem sie sich um Brücken zueinander und um Versöhnung bemühen, indem sie einander achten und aufeinander zugehen, indem sie Menschen, die anders sind, die gleiche Würde zubilligen, die sie selbst haben. Die gegen Diskriminierung und Rassismus aufstehen und ein Zeichen setzen, demonstrativ laut oder als stillen Protest.
So verstehe ich die biblische Botschaft Jesu Christi, so verstehe ich Evangelium.
Alle Menschen sind Gottes Kinder. Für diese uns verliehene Würde beten und kämpfen wir.
Selig sind, die Frieden stiften; denn sie werden Gottes Kinder heißen. (Mt. 5,9)
Als Christ halte ich die Bibel erst dann hoch, wenn ich sie im Geiste Jesu lese, wenn ihre Worte mein Herz wirklich berühren. Wenn sie mich zum Frieden und zur Nächstenliebe bewegen und nicht zum persönlichen Machterhalt.

Pastor Gerald Engeler
Schwaförden-Scholen-Sulingen.