am 1. September 2023
Die Natur steht in voller Blüte. Die Sonne lässt die Temperaturen steigen, die Abende sind lang. Schützenfeste reihen sich seit Wochen aneinander, Konzerte und Open-Air Veranstaltungen locken die Menschen raus. Kinder radeln ins Freibad, nächste Woche beginnen die Ferien, hurra, die Urlaubszeit ist da. Mein Kalender sagt mir: das erste Juliwochenende - Hochsommer!
Das bedeutet aber auch: Halbzeit. Vor einer Woche, am 24. Juni erreichte die Sonne ihren höchsten Stand – und das heißt: Ab jetzt werden die Tage ganz langsam wieder kürzer.
Noch spüre ich es nicht, denn noch steht uns ein heißer Sommer erst bevor. Aber mit jeder Minute, die die Sonne früher untergeht, nähert sich der Herbst mit ganz kleinen Schritten.
Halbzeit – das heißt im Sport: Zwischenbilanz ziehen. Stimmt noch die Spielstrategie? Oder muss meine Taktik geändert werden? Reichen die Kräfte? Ist genug Motivation vorhanden?
Halbzeit – vielleicht sollten auch wir uns auf der Höhe des Jahres eine Atempause gönnen. Wie gut, dass bald Urlaub ist. Zurückblicken auf die erste Hälfte dieses Jahres: Welche Weichen sind gestellt? Bin ich zufrieden mit dem, was gelaufen ist? Oder sind Veränderungen, Korrekturen nötig im zweiten Durchlauf?
Halbzeit – um dieses Stichwort kreist auch ein Brauchtum, das älter ist als der christliche Glaube, das aber mit einer biblischen Deutung verbunden worden ist: der Mittsommertag, der Tag der Sommersonnenwende am 24. Juni, von der Kirche als Johannistag bezeichnet.
Nach vorchristlicher Überlieferung geschieht zur Sommersonnenwende ´was Besonderes:
Berge öffnen sich, Tiere sprechen und im Traum wird Zukünftiges sichtbar. Wer über das Sonnenwendfeuer springt, überwindet Unheil und findet Liebe. Johanniskraut, an diesem Tag gepflückt, wirkt als Heilmittel gegen vielerlei Beschwerden.
Die christliche Tradition dagegen hat eine biblische Gestalt mit diesem Tag verbunden:
Johannes den Täufer, der genau ein halbes Jahr vor Jesus geboren wird. Johannes ruft Menschen zu Einsicht, Besinnung und Umkehr und kündigt Jesu Kommen an:
ER muss wachsen, ich aber muss weniger werden. (Joh. 3,30).
Für mich hat dieses Wort eine heilsame Perspektive. Es hilft mir, manche Selbstüberschätzung und Krampf zu lassen. Ich will meine Kräfte und Reserven darauf konzentrieren, was das Leben wirklich reich macht. Das Wort hilft mir, die eigene Profilierungssucht zu überwinden und nicht der Tendenz zu verfallen, endlos wachsen, größer werden und konsumieren zu müssen.
Vielleicht finde ich das Glück meines Lebens ja erst, wenn ich in Zurückhaltung, Bescheidenheit und Demut eine ganz andere persönliche Stärke entdecke. Populär, trendig und im Zeitgeist liegt dies gewiss nicht, ich weiß! Aber es ist für mich sehr befreiend und entlastend, es tut meiner Seele wirklich gut.
Pastor Gerald Engeler
Ev.-luth. Kirchengemeinden Schwaförden-Scholen + Sulingen