Was ist eine Kasualagentur? Und: brauchen wir sowas bei uns?

Nachricht 22. November 2024

Ja, klar!“, findet „Ankerzeit“-Pastorin Juliane Worbs. Sie gestaltet und erprobt bereits eine „Servicestelle für Segensrituale“ im Kirchenkreis Diepholz. Ein Interview:

Gottes Segen gibt's nicht nur in Sakralgebäuden. Bei uns im Kirchenkreis kann auch im Dümmer getauft, in der Heide geheiratet oder in einem Kanu auf der Aue gesegnet werden. Und an ganz vielen anderen Orten auch. Um flexibel auf die persönlichen Wünsche von Kirchenmitgliedern eingehen zu können, probiert Pastorin Juliane Worbs innerhalb der „Ankerzeit“ einiges aus. Sie versteht das Angebot des Projekts inhaltlich als Segensnetzwerk und ganz praktisch als Serviceagentur für besondere Anlässe.

Was ist eigentlich eine Kasualagentur? Was macht sie, was kann sie – und: Brauchen wir so etwas auch bei uns? Juliane Worbs, Pastorin im Projekt „Ankerzeit“, ist zuständig für besondere und persönliche Anliegen im Kirchenkreis Diepholz. Und sie findet: „Ja, klar brauchen wir so etwas!“

Welche Angebote eine solche Servicestelle für die Menschen in unserem Gebiet machen kann und welche Chancen sie für die Zukunft der Kirche bedeuten könnte, erprobt die 41-Jährige gerade in unserem Kirchenkreis. Im Interview erzählt sie von ihren Erfahrungen und Plänen.

Liebe Juliane Worbs – erst mal: Was ist das eigentlich genau, eine Kasualie?
Der Begriff „Kasualien“ kommt vom lateinischen Wort „casus“, was so viel heißt wie „Fälle“. Als Kasualien werden in der Kirche Gottesdienste bezeichnet, die zu wichtigen Momenten im Leben von Menschen gefeiert werden und in denen der Segen Gottes eine ganz besondere Rolle spielt.
Für viele solcher Situationen gibt es bereits Segensrituale mit langer Tradition. Taufen, Konfirmationen, Hochzeiten und Trauerfeiern sind die großen Klassiker. Aber auch ein Gottesdienst mit Segen zur Einschulung fehlt in kaum einer Gemeinde. Daneben gibt es natürlich noch viel mehr Momente im Leben, die besonders sind – Ereignisse, die gefeiert werden wollen, oder Situationen, in denen ein Segen gut tut.

Als Pastorin im Projekt „Ankerzeit“ arbeiten Sie ständig an neuen kirchlichen Angeboten, die speziell für junge Erwachsene und Familien konzipiert werden. Zum Beispiel an einer Agentur für Kasualien für den Kirchenkreis Grafschaft Diepholz. Was ist, was macht und was kann so eine Kasualagentur denn?
Sie ist eine Anlaufstelle für alle besonderen Fälle und die damit verbundenen Fragen, Wünsche und Vorstellungen. Was brauche ich für eine Taufe oder Trauung? An wen muss ich mich wenden, wenn ich in dieser oder jener Kirche feiern möchte? Können wir unsere Trauung oder die Taufe unseres Kindes statt in der Kirche auch am Dümmer oder in der Heide feiern? Ist es möglich, unsere Liebe segnen zu lassen, auch wenn wir nicht standesamtlich verheiratet sind? Es steht eine Veränderung in meinem Leben an – kann ich dafür Gottes Segen bekommen?
All diese Fragen und noch mehr versuche ich zu beantworten, um die Ideen und Wünsche der Menschen Realität werden zu lassen.
Eine „Servicestelle für Segen, Taufe, Hochzeit und mehr“ ist bereits ein Teil der „Ankerzeit“. Allerdings wird diese Arbeit seit Mitte dieses Jahres durch die Landeskirche Hannovers mit einer Viertelstelle noch einmal besonders gefördert. Somit habe ich nun noch mehr Zeit für diesen wunderbaren Schwerpunkt. Denn Segen ist schon etwas Großartiges, Persönliches und Berührendes.

Welche Vorteile hat so eine Kasualagentur für die Menschen und auch die Kolleg*innen in den Gemeinden unseres Kirchenkreises?
Sie ist eine Art Servicestelle für alle, die nicht so richtig wissen, an wen sie sich mit ihrem Anliegen wenden können. Ich höre zu, kann erste Fragen beantworten und Ideen mit auf den Weg geben. Wenn der Wunsch nach einer Begleitung konkreter wird, überlegen wir gemeinsam, wie die Segensfeier genau gestaltet werden kann. Manche Segensfeiern begleite ich dann selbst, andere vermittle ich an die Kolleg*innen in den Gemeinden vor Ort weiter. Aber auch andersherum fragen mich manchmal Kolleginnen aus dem ganzen Kirchenkreis an, ob ich eine Feier bei ihnen übernehmen könnte.
Durch diese Arbeitsstelle sind bei uns auch ganz neue Angebote entstanden – wie z. B. das große Tauffest 2023 in der „Bar dü Mar“ am Dümmer oder das „Hochzeitsfestival“ 2024 in Diepholz.

Sehen Sie auch Nachteile? Könnte so eine Agentur zum Beispiel auch dazu dienen, eine Pfarrstelle vor Ort überflüssig zu machen und einzusparen?
Nein, das ist gar nicht unser Ziel. Es ist ein Zusatzangebot, das nicht in Konkurrenz zur Arbeit in den Gemeinden steht. Eine gute Kommunikation und Absprache mit den Gemeinden vor Ort sind natürlich wichtig.
Es gibt so viele tolle Ideen und Angebote in den Kirchengemeinden. Vor meiner Arbeit in der „Ankerzeit“ wusste ich zum Beispiel gar nicht, wie viele Tauffeste es in unserem Kirchenkreis gibt – und wie viele verschiedene Möglichkeiten. Wie cool ist es denn bitte, sich in der Aue taufen zu lassen oder während eines Paddelgottesdienstes? Aber die Leute müssen davon erfahren, dass Kirche auch so etwas anbietet. Vielleicht ist es genau dieses Angebot, auf das jemand schon lange wartet oder das ihm oder ihr dann den Anstoß gibt, neu über Gott und das eigene Leben nachzudenken.
Ich werbe gerne über die „Ankerzeit“ dafür, dass noch mehr Menschen von guten Angeboten in den Gemeinden erfahren. Denn mit der „Ankerzeit“ verstehe ich mich als Teil eines großen „Segensnetzwerks“. Es ist eine Vermittlungsstelle zwischen der vielfältigen Arbeit in den Kirchengemeinden und den Wünschen der Menschen, die um Segen bitten. Und ich kann zusätzliche Angebote über die Grenzen von Gemeinden und Regionen hinaus machen.
Für mich überwiegen also die Vorteile, die Möglichkeiten und Chancen einer solchen Kasualagentur. Ich finde so ein zusätzliches Angebot super! Eine große Bereicherung für unsere Kirche.

Wie viele Kasualagenturen gibt es schon deutschlandweit in der Evangelischen Kirche? Und wie sind dort die Erfahrungen?
Es gibt EKD-weit bereits einige Angebote – wie „St. Moment“ in Hamburg, das „Segensbüro“ in Berlin, die „Segen.Servicestelle für Taufe, Trauung, Bestattung und mehr“ in Bayern oder auch „leben.feiern.“ im Kirchenkreis Hanau. In Hannover entsteht auch gerade eine Agentur. Im Kirchenkreis Burgdorf gibt es ein tolles Konzept für Pop-up-Segensformate.
In der hannoverschen Landeskirche hat sich ein „Segensnetzwerk“ gegründet. Wir treffen uns dort regelmäßig und arbeiten an gemeinsamen Ideen und Strukturen. Sehr spannend.

Diepholz ist natürlich nicht Berlin oder Hamburg. Was muss so eine Agentur hier bei uns in einem ländlichen Kirchenkreis zu bieten haben?
Neben Begleitung und Vermittlung von Taufen und Trauungen stehe ich für alle denkbaren Segensanliegen bereit: Segen für Schwangere und alle, die ein Kind erwarten. Segen für Kinder. Für Veränderungen in der Berufstätigkeit und bei jeder anderen Art von Übergängen. Wie auch immer das Anliegen aussehen mag – gemeinsam werden wir ein Segensritual dafür entwickeln, das passt. Darauf freue ich mich sehr!

Aber der Titel „Kasualagentur“… Ob sich Leute, die sich mit Kirche gar nicht auskennen, darunter etwas vorstellen können?
Ich überlege auch noch, wie ich diesen Namen finde. Es wurde ja schon bei der ersten Frage unseres Interviews deutlich: Es braucht ein Vorwissen, damit ich überhaupt auf die Idee komme, mich mit meinem Wunsch, meiner Sehnsucht, meinem Anliegen bei so einer Agentur zu melden. Der Name passt also nicht ganz zum Angebot und Selbstverständnis dieser Stelle… Ich spreche lieber von „Service für Segen, Taufe, Hochzeit und mehr“. Vielleicht auch noch nicht perfekt, aber ein Versuch.

Miriam Unger

Kontakt

Juliane Worbs
Postdamm 4
49356 Diepholz