„Ein sicherer Ort für alle“

Nachricht 22. November 2024

Unser Top-Team: Diakonin Frauke Laging und Pastorin Ursula Schmidt-Lensch sind Multiplikatorinnen für Prävention Sexualisierter Gewalt im Kirchenkreis Grafschaft Diepholz

Stopp: Schulungen, Schutzkonzepte und eine stetige Sensibilisierung für das Thema sollen jede Form von sexualisierter Gewalt im Kirchenkreis Grafschaft Diepholz bekämpfen. Dafür setzt sich das Multiplikatorinnen-Duo Laging-Schmidt-Lensch engagiert ein.

Die Prävention sexualisierter Gewalt ist eine zentrale Aufgabe im Kirchenkreis Grafschaft Diepholz, um Kirche mit all ihren Treffpunkten, Angeboten und Arbeitsbereichen zu einem sicheren Ort für jeden Menschen zu machen. Diakonin Frauke Laging und Pastorin Ursula Schmidt-Lensch setzen sich als Multiplikatorinnen mit großem Engagement für dieses Anliegen ein.
Im Interview erzählen sie, warum ihnen das Thema so am Herzen liegt, welche Erfahrungen sie bei Schulungen machen, wie weit die Schutzkonzepte im Gebiet sind und welche Aha-Momente sie selbst in ihrer Arbeit erlebt haben.

Liebe Frauke Laging, liebe Ulla Schmidt-Lensch, Sie sind bei uns im Kirchenkreis Multiplikatorinnen für die Prävention Sexualisierter Gewalt. Was hat Sie selbst bewogen, sich für dieses Thema einzusetzen?
Frauke Laging:
„Unsere Angebote, Räume, Veranstaltungen müssen sichere Orte für alle sein. Dafür möchte ich mich einsetzen. Und ich bin froh, dass durch die Schulungen und die Erstellung der Schutzkonzepte in allen Arbeitsbereichen unseres Kirchenkreises endlich darüber gesprochen werden kann, was sich Menschen im Umgang miteinander voneinander wünschen. Es ist nicht nur für Kinder und Konfis wichtig, Grenzen zu formulieren und „Nein“ sagen zu können. Ich glaube, das hilft uns allen zu einem achtsameren Umgang miteinander. Und: Mit dieser Sensibilisierung für das Thema Sexualisierte Gewalt und den Schutzkonzepten machen wir es Täter*innen so schwer wie möglich, in unserer Kirche Fuß zu fassen.“
Ursula Schmidt-Lensch: „Mir ist besonders durch die Forum-Studie klargeworden, wie drängend das Thema ist. Und dass wir uns da dringend an der Basis bewegen müssen.“

Frauke Laging

Wie schätzen Sie den Stellenwert des Themas bei uns im Kirchenkreis ein?
Ursula Schmidt-Lensch:
„Meine Erfahrung ist bisher: Es wird für sehr wichtig gehalten, und die Arbeit daran wird stark unterstützt. Das gilt ganz besonders für die Gremien des Kirchenkreises. Aber auch in den Kirchenvorständen ist – bis auf ganz wenige kritische Stimmen – angekommen, wie wichtig es ist, daran zu arbeiten und unsere Kirche zu einem sichereren Ort zu machen.“
Frauke Laging: „Ich erlebe Offenheit und Interesse und großes Bemühen bei der Erstellung der Schutzkonzepte. Und auch in den Basisschulungen mit den Kirchenvorstehenden bekomme ich die Rückmeldung, wie wichtig den meisten das Thema ist. Es gibt viele Fragen, wie man mit bestimmten Situationen umgehen sollte. Manchmal berichten Menschen auch von eigenen Erfahrungen, in denen Grenzen überschritten wurden. Situationen, in denen zum Beispiel ein Spruch oder ein Verhalten von jemandem dafür gesorgt haben, dass sie sich unwohl gefühlt haben. Manche erzählen, dass es ihnen in dem Moment selbst oft schwerfiel, direkt zu reagieren und sich klar zu positionieren. Oder dass ihnen erst im Nachhinein deutlich wurde, dass etwas nicht in Ordnung war.
Mich selbst bewegt besonders, dass das Thema über alle Altersgruppen hinweg die Menschen beschäftigt. Ob es die Konfis sind, die es gut finden, wenn ihre Kirchengemeinde mit ihnen gemeinsam überlegt, wie sie sich in ihren Räumen und Angeboten wohl und sicher fühlen. Oder die Senior*innen, die mit mir vor der Tür des Schulungsraums über den Fall von Gisele Pelicot diskutieren.
Ich denke, wenn wir im nächsten Jahr die Schutzkonzepte in den Gemeinden vorstellen, wird es spannend sein, was wir alle im Gespräch darüber voneinander lernen können.“

Ursula Schmidt-Lensch

Wie haben Sie den Prozess der Erarbeitung der eigenen Schutzkonzepte in den Gemeinden, Einrichtungen, Gremien und Arbeitsbereichen im Kirchenkreis in diesem Jahr erlebt?
Ursula Schmidt-Lensch:
„Manches ist noch in der Mache. Aber in vielen Gemeinden mit starker Motivation, ist mein Eindruck. Besonders junge Frauen erlebe ich da als treibende Kraft.“
Frauke Laging: „Die Schutzkonzepte sind partizipativ angelegt. Das heißt, bei der Erstellung sollen möglichst viele Menschen aus der Gemeinde beteiligt werden. Das geschieht in einigen Gemeinden mit einem Fragebogen, den wir zusammen über die Gemeindegrenzen hinweg entwickelt und weiterentwickelt haben.
Bei uns in der Gesamtkirchengemeinde Diepholz läuft die Umfrage noch bis Ende November. Ich kann also noch nichts über die Ergebnisse sagen, aber die Beteiligung ist sehr gut.
Bis Dezember werden die meisten Gemeinden eine erste Fassung des Konzepts vorliegen haben – vielleicht sogar alle. Fertig ist so ein Konzept allerdings nie – es wird sich immer weiterentwickeln und an den Menschen orientieren, die es betrifft und schützen soll.“

Wie werden die Schulungen bisher angenommen? Wie sensibilisieren Sie als Multiplikatorinnen die Menschen für das Thema?
Ursula Schmidt-Lensch: „Die Beteiligung ist meistens gut. Am besten bekommt man die Schulungsteilnehmenden natürlich durch eindrückliche Schilderungen von Betroffenen. Aber auch indem man ihnen klarmacht, welche Strukturen es auch in unserer Kirche in der Vergangenheit den Täter*innen ermöglicht haben, Grenzen zu überschreiten und Menschen Gewalt anzutun.
Frauke Laging: „Die Basisschulungen sind Pflicht für unsere Haupt- und Ehrenamtlichen. Das sind viele Menschen, und wir sind zwei Multiplikatorinnen. Also können wir natürlich nur nach und nach schulen. Aber: Wir haben innerhalb von gut zwei Monaten fast alle Kirchenvorstehenden weitergebildet. Als nächstes laden wir die Pfarramtssekretär*innen und Küster*innen ein, dann weitere Ehrenamtliche. Es gibt auch spezielle Schulungen für Menschen, die in der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen tätig sind. Die Teilnehmenden lernen, zwischen Grenzverletzungen, sexuellen Übergriffen und sexualisierter Gewalt zu unterscheiden und setzen sich anhand von Fallbeispielen mit eigenen Einschätzungen auseinander. Das fängt ganz klein an und bei jedem selbst: Wie viel Nähe und Distanz brauche ich zu anderen Menschen? Die Teilnehmenden lernen die Strategien von Täter*innen kennen, hören Geschichten von Betroffenen und werden befähigt, ein eigenes Schutzkonzept zu entwickeln. Je nach Erfahrung und Kenntnisstand werden inhaltliche Schwerpunkte gesetzt. Mir ist es besonders wichtig, dass wir miteinander ins Gespräch kommen und es einen sicheren Raum für eigene Fragen und Erfahrungen gibt.“

Gibt es bei Ihnen selbst sowas wie einen Aha-Effekt aus den letzten Monaten? Etwas, das Sie durch Ihre Ausbildung und Tätigkeit als Multiplikatorin zum Thema gelernt haben, das Sie vorher nicht geahnt oder gewusst haben?
Frauke Laging:
„Ich freue mich über ganz viel Offenheit, die ich erlebt habe. Über meine Konfirmandin, die allen Erwachsenen dankt, die sich dafür einsetzen, dass Kirche für sie zu einem sicheren Ort werden soll – weil sie das in anderen Zusammenhängen nicht erlebt und es ihr fehlt. Über die Seniorinnen, die vor der Tür zum Schulungsraum diskutieren, was in unserem Gemeindehaus alles verbesserungswürdig ist – aber diesmal mit dem Blick darauf, Menschen zu schützen. Über den Mut von Menschen, zu erzählen, was ihnen Angst macht oder wo ihre Grenzen sind. Dafür bin ich wirklich dankbar, denn so werden wir etwas verändern.“
Ursula Schmidt-Lensch: „Ich habe mir vorher kaum Gedanken darüber gemacht, dass die meisten Täter*innen strategisch vorgehen, um ihre Taten begehen zu können. Diese Perfidität hat mich wirklich schockiert.“

Schulungstermine 2024 und 2025

Dienstag, 10.12., 9-13 Uhr: Basisschulung für hauptamtlich Tätige (Gemeindesekretär*innen, Küster*innen, Gärtner*innen, Hausmeister*innen).
Freitag, 13.12., 17-21 Uhr: Basisschulung für Kirchenvorstehende, Mitglieder von Ortsausschüssen und Gemeindebeiräten und andere Ehrenamtliche.
Donnerstag, 9. Januar, 9-13 Uhr: Basisschulung für hauptamtlich Tätige.
Mittwoch, 19. Februar, 18-22 Uhr: Basisschulung für Kirchenvorstehende.
Mittwoch, 19. März, 17-21 Uhr: Basisschulung für alle Ehrenamtlichen in der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen in Zusammenarbeit mit dem Kreisjugenddienst.
Dienstag, 20. Mai, 17-21 Uhr: Basisschulung für alle Ehrenamtlichen in der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen in Zusammenarbeit mit dem Kreisjugenddienst.

Alle Schulungen finden im Gemeindehaus St. Nicolai, Lange Str. 30 in 49356 Diepholz statt.

Wie erreicht man Sie am besten, wenn man Fragen zum Thema hat?
Frauke Laging: „Per E-Mail oder per Telefon, auch gerne zum Vereinbaren von persönlichen Gesprächen. Mobil: 0176 – 21 23 62 17, E-Mail: frauke.laging@evlka.de.“
Ursula Schmidt-Lensch: „Per E-Mail oder per Telefon, auch gerne zum Vereinbaren von persönlichen Gesprächen. Mobil: 0151-17400 938, E-Mail: ursula.schmidt-lensch@evlka.de.“

Miriam Unger