KIRCHDORF (miu). In der Synode des Kirchenkreises Grafschaft Diepholz geht es für gewöhnlich zu wie in jedem demokratischen Parlament, in dem viele Menschen mit unterschiedlichen Interessen und Charakteren sitzen: Es wird diskutiert und kritisch hinterfragt, manche Abstimmungen sind zäh und nicht jede Entscheidung ist eine, hinter der alle stehen. Bei der Kirchenkreissynode in dieser Woche ist das anders. Unter den Delegierten, die aufgrund der Corona-Hygienemaßnahmen in der Kirchdorfer Kirche tagen, herrscht Aufbruchstimmung und eine erstaunliche Einigkeit. Das Gremium wählt einen neuen Vorstand, arbeitet zügig und konzentriert die Tagesordnungspunkte ab; selbst das umfangreiche Zahlenwerk der Jahresabschlüsse und Finanzplanung. Die Versammlung beschließt Finanz- und Stellenpläne, bespricht neue Strukturen und Konzepte für die Gemeinden in der Region, und bei allen Beschlüssen herrscht große Einigkeit. Trotz Einsparungen und der Aussicht auf Veränderungen blicken die Mitglieder sichtbar optimistisch und mit Ideenreichtum in die Zukunft. Dass Kirche sich verändern wird und muss, haben scheinbar alle verinnerlicht und brennen drauf, sich auf den Weg zu machen.
Die gute Stimmung liegt vor allem an zwei Gründen, wie Rainer Ausborn (Vorsitzender des Stellenplanungs- und Finanzausschusses) und Kirchenamtsleiter Marc-Tell Schimke verdeutlichen. Zum einen daran, dass der Kirchenkreis in den vergangenen Jahren gewissenhaft gewirtschaftet und vorausschauend Mittel zurückgelegt hat. „Auch wir müssen aufgrund der sinkenden Mitgliederzahlen und weniger Einnahmen in den nächsten sechs Jahren zwölf Prozent einsparen, aber uns trifft diese Sparrunde nicht so hart wie viele andere Kirchenkreise. Unsere Rücklagen federn den Prozess ab“, erklärt Ausborn. „Wir müssen uns nicht kaputtsparen, sondern können und wollen es uns weiterhin leisten, gutes Personal zu finden, die Arbeitsbereiche vernünftig auszustatten und sogar an einigen Stellen einen Schritt nach vorne zu gehen und in etwas Neues zu investieren.“
Zum anderen habe sich gezeigt, dass es der richtige Schritt gewesen sei, die Strukturplanung für die 23 Gemeinden des Kirchenkreises nicht übergeordnet zu entscheiden, sondern sie mit Hilfe und Beratung in den jeweiligen Regionen von den Menschen vor Ort erarbeiten zu lassen. Diese „Zukunftsprozesse“ haben laut Ausborn erstaunliche Ergebnisse gezeigt: „Dabei sind Lösungen herausgekommen, auf die wir als Ausschuss vielleicht nicht gekommen wären, die aber für die Regionen genau richtig sind.“
Die eigene Gestaltungsfreiheit habe einen sichtlichen Anteil an der Akzeptanz und der Stimmung in den Gemeinden gehabt. „Mittlerweile wird in allen Gemeinden regional zusammengearbeitet. Das ist ein wirklicher Schritt in die Zukunft.“
Die „Region West“ (dazu gehören die drei Diepholzer Gemeinden St. Michaelis, St. Nicolai und St. Hülfe-Heede sowie Barnstorf, Marien- und Jacobidrebber) hat sich entschieden, ihr Sparziel zu erreichen durch den Wegfall der Pfarrstelle des in den Ruhestand gegangenen Pastors Lutz Korn. Dafür wird die halbe Diakonenstelle von Frauke Laging in St. Nicolai auf eine volle Stelle aufgestockt. Pastorin Ursula Schmidt-Lensch soll das Pfarrteam zusätzlich noch mit einer Viertelstelle unterstützen. Für die Diakonenstelle in Barnstorf gibt es eine Refinanzierung.
Die „Region Mitte“ (mit den Kirchengemeinden Lemförde, Burlage, Brockum, Wetschen, Rehden-Hemsloh, Barver, Wagenfeld und Ströhen) möchte mit der Pensionierung der Stelleninhaber ab 2026 eine halbe Pfarrstelle in Wetschen und ab 2028 eine Dreiviertel-Stelle in Wagenfeld einsparen. Dafür soll eine volle Stelle für einen Regionaldiakon eingerichtet werden. Die Gemeinden Wagenfeld und Ströhen wollen enger zusammenarbeiten, um Synergien zu nutzen.
Die Lösung der „Region Sulingen“ (mit den Gemeinden Schmalförden, Neuenkirchen, Schwaförden-Scholen, Mellinghausen-Siedenburg, Sulingen, Freistatt, Varrel, Barenburg und Kirchdorf) sieht ab 2023 den Wegfall einer halben Pfarrstelle in Mellinghausen-Siedenburg und einer halben Pfarrstelle in Sulingen/Schwaförden-Scholen vor. Dafür wird die Diakonenstelle in der Gemeinde Sulingen in eine volle Stelle für die Region umgewandelt.
Mit Spannung wird ein ganz neuer Arbeitsbereich im Kirchenkreis erwartet: Eine über Projektmittel finanzierte halbe Pfarrstelle und eine anteilige Diakonenstelle sollen sich dem Thema „Junge Erwachsene und digitale Begegnungsräume“ widmen und Angebote für die Zielgruppe 20 bis 40 Jahre schaffen. „Das ,junge Mittelalter‘ kommt bei uns bisher wenig vor“, sagt Superintendent Marten Lensch. „Es gibt Kontakt, wenn eine Familie gegründet wird und Interesse an der Taufe oder Betreuung in einer Einrichtung unseres Kindertagesstättenverbands besteht. Davon abgesehen selten.“
Das Projekt soll auf verschiedenen Ebenen vielfältige niedrigschwellige Angebote machen und neue Begegnungsräume eröffnen. Im Kirchenkreis habe man sich „ganz bewusst entschieden, etwas zu entwickeln, mit dem Kirche nicht auf dem Rückzug ist, sondern einen Schritt nach vorne wagt.“
Auf Kirchenkreisebene wird eine neue Diakonenstelle geschaffen, die ebenfalls zu einem Drittel dem Projekt zugeordnet werden soll. „Und wir bemühen uns, diesen Bereich noch durch landeskirchliche Förderung weiter auszubauen“, ergänzt Rainer Ausborn.
Das Vertrauen in die jüngere Zielgruppe zeigt sich auch bei der turnusgemäßen Neuwahl des Vorstands der Kirchenkreissynode. Nach der herzlichen Verabschiedung des langjährigen Vorsitzenden Hans-Rudolf Kalus wählt das Parlament Ingo Jaeger aus Lemförde – 42, Diakon, Kirchenkreisjugendwart und bisher stellvertretender Vorsitzender – an seine Spitze. Auch Rainer Hoffmann, Pastor in Drebber, gibt seinen Posten als beisitzendes Mitglied gerne in andere Hände. Neben den erfahrenen Vorstandsmitgliedern Christa Funck aus Sulingen (stellvertretende Vorsitzende) und Barbara Meyer aus Lemförde wählt die Versammlung Andrea Lohmann aus Kirchdorf und Ralf Höfelmann aus Wetschen neu in den Vorstand.
Neu im Stellenplanungs- und Finanzausschuss sind Jutta Pomplun aus der Kirchengemeinde Burlage und Pastor Dimitri Schweitz (Kirchengemeinden Rehden-Hemsloh und Barver). Sie nehmen die Plätze von Pastor i.R. Eckhart Schätzel (Lemförde) und Ingrid Rüter-Pfeil (Lembruch) ein.
Und auch im Partnerschaftsausschuss gibt es eine Senkung des Altersdurchschnitts: Lukas Weise (22 Jahre) aus Rehden freut sich auf die Tätigkeit als neues Mitglied und hat bereits viele Ideen für Aktionen und Jugendprojekte mit der Partnergemeinde in Baboua/Zentralafrika.
Miriam Unger