"Jetzt aber wirklich!"

Nachricht Diepholz, 27. September 2021

Einführung von Pastorin Kathrin Wiggermann in Diepholz St. Michaelis

DIEPHOLZ. „Jetzt aber wirklich!“, steht in der Einladung. Alles war organisiert und fertig im Frühling vergangenen Jahres: Die Schnittchen waren bestellt, die Wort- und Musikbeiträge eingeübt – die Gäste konnten kommen. Das Einzige, was zur Einführung von Kathrin Wiggermann kam, war Corona. Eineinhalb Jahre später als geplant holt die evangelische Kirchengemeinde St. Michaelis Diepholz die Amtshandlung nun nach und feiert am Sonntag, 3. Oktober, die Einführung ihrer neuen Pastorin mit einem Gemeindefest. Wirklich neu ist Kathrin Wiggermann aber eigentlich nie gewesen.
„Ich bin eine gebürtige Diepholzerin, hier geboren und aufgewachsen. Nur Studium, Vikariat und die ersten Berufsjahre haben mich in die weite Welt geführt“, erzählt die 47-Jährige. Zum Theologiestudium ging sie nach Göttingen, Edinburgh/Schottland und Münster, wo sie ihren Mann kennenlernte. Gemeinsam zogen die beiden in den Raum Hannover; sie absolvierte in Burgdorf ihr Vikariat, er in Celle sein Referendariat. Im Kirchenkreis Neustadt-Wunstorf trat sie ihre erste Pfarrstelle an, bekam zwei Kinder, aber der Spagat zwischen Beruf und Privatleben war auf die Dauer unbefriedigend: „Das Pfarramt mit kleinen Kindern kam einer Zerreißprobe gleich. Und als ich vor der Frage stand, ob ich eine volle Stelle übernehmen und noch mehr beruflich arbeiten wollte, habe ich mich für die Familie entschieden.“
2009 zogen die Wiggermanns nach Diepholz. Die vier Kinder sind mittlerweile zwischen acht und fast 18 Jahren. Ehemann Frank unterrichtet an der Graf-Friedrich-Schule, Kathrin Wiggermann gab zunächst ein paar Stunden Religionsunterricht an GFS und Grundschule. Als die jüngste Tochter in die Schule kam, zeichnete sich ab, dass die Pfarrstelle in St. Michaelis frei werden würde. Und Kathrin Wiggermann fand: „Es gab in der Gemeinde so viele Pfarrerwechsel und Vakanzen – jetzt muss da mal jemand hin, der auch bleiben möchte.“ Der Kirchenvorstand freute sich.
Abgesehen von der Ortskenntnis, scheint die 47-Jährige auch sonst gut zu passen in diese vielseitige Gemeinde mit ihren vielen Angeboten und aktiven Ehrenamtlichen. Sie ist nicht eitel, nicht kompliziert, nicht dominant oder laut. Die Pastorin sieht sich als Teil des Teams. Sie fragt viel, lächelt oft, hört sehr gut zu. Keine, die kommt und gleich alles verändern will. Das ist auch gar nicht nötig: „Es ist ganz viel da, was richtig gut läuft: Die Lebensmittelausgabe der Platte, ein Kirchenkino, viele Lektorinnen und Lektoren, die Lust haben, selbst Gottesdienste zu gestalten; vielseitige Musik, eine aktive Seniorenarbeit, Besuchsdienst, Krabbelgruppen... Unser Gemeindesaal ist die ganze Woche mit Gruppen gefüllt, und auch die Kirche vergeben wir, wenn ein Chor mehr Platz zum Singen braucht.“
Gleichzeitig merke sie in Michaelis, der Gemeinde im sozialen Brennpunkt der Stadt, ganz besonders, dass eine Nähe zur Kirche nicht mehr selbstverständlich ist: „Kinder werden nicht mehr unbedingt getauft und konfirmiert, auch wenn die Eltern es sind. Das sind Herausforderungen, denen wir begegnen müssen. Aber das finde ich spannend. In dieser Zeit, in der sich vieles schnell verändert, müssen wir als Kirchengemeinde mitgehen und offen für Veränderungen sein. Wir brauchen niedrigschwellige Angebote und eine Sprache, die auch Menschen verstehen, die nicht mit Kirche großgeworden sind. Kirche ist mehr als die Pastorin. Wir haben hier viele Gemeindeglieder, die sich einbringen möchten, und mir ist wichtig, dass ich es allen, die sich engagieren wollen, auch ermögliche.“
Warum Kirche ihrer Meinung nach auch für nachfolgende Generationen noch relevant ist? „Religion ist wie ein Treppengeländer im Leben. Man kommt die meiste Zeit ganz gut ohne Geländer die Treppe hoch, trotzdem baut man in jedem Haus eins an, denn es gibt immer mal Zeiten, in denen es guttut, sich festzuhalten. So ein Geländer können der Glaube und die Gemeinschaft in einer Gemeinde sein“, sagt Kathrin Wiggermann. Ich habe die Erfahrung gemacht: Egal, wohin es einen verschlägt im Leben, durch Studium, Arbeit oder Schicksalsschläge – bei der Kirche kann man immer andocken. Da gibt es Menschen, auf die man sich verlassen kann. Und wir haben immer die Möglichkeit, auf Gott und den Glauben zurückkommen zu können. Das ist wie ein Anker.“
Dass diese Gemeinschaft nicht an der Gemeindegrenze aufhört, ist für die Theologin selbstverständlich. Sie baut aktiv mit den Kolleg*innen die Zusammenarbeit in der Region aus: „Ich sehe uns als Einheit und bin davon überzeugt, dass es den drei Diepholzer Gemeinden guttut, dass wir versuchen, hier gemeinsam evangelische Kirche zu gestalten.“
Die Einführung durch Superintendent Marten Lensch wird natürlich trotzdem in der eigenen Kirche gefeiert. Der Gottesdienst beginnt um 14 Uhr in St. Michaelis, danach wird beim Gemeindefest unter 3G-Bedingungen weitergefeiert.
„Natürlich ist es ungewöhnlich, dass jemand, der schon länger hier arbeitet und den jetzt schon alle kennen, noch eingeführt werden muss“, lacht Kathrin Wiggermann. „Aber davon abgesehen, dass so eine Amtseinführung einen theologischen Hintergrund hat – der Hauptgrund ist: Dieser Kirchenvorstand feiert einfach so gerne!“
Miriam Unger
 
Sonntag, 3. Oktober: Einführung um 14 Uhr in der St. Michaeliskirche, anschließend Gemeindefest im Gemeindezentrum Lüderstraße 54 mit 3G.